Das Leben von Rapper Bushido wurde verfilmt. Mariam Schaghaghi traf einen jungen Mann, der an Gott glaubt und in die Politik gehen will.

Skandalrapper, heißt es meist. Oder auch Bürgerschreck, Provokateur, Rampensau und Gangsta-Rapper. Die Lebensgeschichte von Bushido, die 2008 wochenlang in der Bestsellerliste rangierte, ist jetzt von Produzent Bernd Eichinger verfilmt worden. "Zeiten ändern Dich", heißt das Biopic, das ab 4. Februar zu sehen ist und das Leben des 1978 als Anis Mohamed Ferchichi geborenen Hip-Hoppers darstellt. Beim Interview im Berliner Hotel Mandala war der angebliche Skandal-Rapper äußerst handzahm, um nicht zu sagen: überraschend artig.

Abendblatt:

Bushido, Sie sind heute schon in eine völlig neue Rolle geschlüpft: als Lehrer. Was haben Sie mit Ihren Schülern angestellt?

Bushido:

Ich war zwei Stunden lang an der Peter-Ustinov-Oberschule in Charlottenburg, in einer 10. Klasse. Und hab's sogar geschafft, pünktlich um acht da anzutanzen. Es war super, wir haben über Berlin, Wirtschaft, Jugendkriminalität usw. geredet. Was mich negativ überrascht hat, ist, wie fortschrittlich Schule geworden ist. Die Lehrerin hatte vorne einen Computer stehen, lud sich ein Referat per USB-Stick auf den Computer und suchte dann im Internet Material raus. Ich dachte, ich bin im Internetcafé gelandet! Da habe ich erst mal einen Vortrag gehalten, dass das zu meiner Zeit ganz anders war.

Abendblatt:

Sie bringen also ernsthaft Sprüche wie: "Früher war alles besser"?

Bushido:

(lacht) Dort gab's nicht mal Kreide, sondern eine Plastiktafel mit Boardmarkern. Bei einem Referat kommt's doch drauf an, dass man frei redet und sein eigenes Potenzial einbringt anstatt eine perfekte Powerpoint-Präsentation! Aber das blieb dort krass auf der Strecke.

Abendblatt:

Hatten Sie je einen Lehrer, der Sie geprägt hat?

Bushido:

Ein einziger, mein Chemielehrer Herr Helmert. Chemie hat mich vorher nie groß gekickt. Ich habe mein Abi abgebrochen und bin vom elitär angehauchten Gymnasium, wo ganz wenig Ausländer waren, auf eine andere Schule gegangen. Der Chemielehrer dort war so cool, dass ich 14 Punkte bekam. Ich habe immer gute Noten gehabt, ohne dass ich mich groß reinkniete. Deutsch hat mich interessiert, Chemie war super, Mathe war gut, Sport sowieso.

Abendblatt:

Sie waren nie ein "Null Bock"-Typ?

Bushido:

In dieser Klasse heute gab es diese typischen Bushidos, die hinten sitzen, voll cool sind und für die das Pausenklingeln das Beste an der Schule ist. So war ich auch drauf, heute finde ich das gar nicht mehr witzig.

Abendblatt:

Worauf sind Schüler neugierig, wenn sie Sie treffen?

Bushido:

Ich konnte denen etwas über gute und schlechte Entscheidungen erzählen, zu denen ich aber stehe, weil ich die Konsequenzen voll trage. Ich habe auch einen Wahlbeauftragten gefunden, der mich vertreten wird, wenn ich mich zur Bürgermeisterwahl aufstellen lasse.

Abendblatt:

Bitte? Wäre das etwas für Sie: Berlins Bürgermeister zu werden?

Bushido:

Man kokettiert ja mit vielem. Als ich den Seehofer beim CSU-Ball traf, stand am nächsten Tag in der Zeitung: "Bushido schreibt die CSU-Hymne". Das ist dann große Meinungsmache für einen Tag. Wenn ich sage "Bürgermeister" oder "Bundeskanzler" lacht man da drüber, auch ich. Aber ich kann mir das gut vorstellen.

Abendblatt:

Für welche Partei würden Sie sich dann aufstellen lassen?

Bushido:

Wenn, würde ich meine eigene Partei gründen und mich vor keinen Karren spannen lassen. Es haben sich bei mir oft Parteien gemeldet, ob SPD, CDU oder FDP.

Abendblatt:

Früher waren Sie ein rotes Tuch für die Eltern, deren Kids Ihre Raps hörten. Heute sind Sie sogar Vorbild. Hat man falsche Erwartungen an Sie?

Bushido:

Ich konnte mich immer artikulieren - auch als ich noch Underground-Musik machte und meine Alben auf dem Index landeten. Das war eine wilde Zeit mit Drogen und miesen Schlägereien. Aber im Grunde hatte ich damals schon dieselben Meinungen wie heute. Komisch, mich hat heute auch ein Schüler gefragt, wann der Punkt kam, an dem ich so korrekt geworden bin.

Abendblatt:

Und? Wann ist Bushido so korrekt geworden?

Bushido:

Ich war schon immer korrekt! Ich habe nur nie einen Hehl aus den Sachen gemacht, die ich getan habe. Ich habe mal einem Mädchen in der Disco eine Backpfeife gegeben, weil sie mich "Hurensohn" nannte. Heute würde ich sie nicht hauen, auch nicht den Typen, der mir in Österreich meine Reifen zerstochen hat - für die Schläge kam ich drei Wochen in U-Haft. Heute würde ich 110 anrufen, dann den ADAC und den Schaden für meine Versicherung aufnehmen lassen.

Abendblatt:

Bushido ist Mitglied im ADAC ...

Bushido:

... ja ...

Abendblatt:

... und will Bürgermeister werden. Ist die Mär vom Bürgerschreck nur ein Missverständnis? Oder ist Bushido nur eine Kunstfigur?

Bushido:

(lacht) So schizophren bin ich nicht!

Abendblatt:

War es die Krankheit Ihrer Mutter, die Sie das Leben neu überdenken ließ?

Bushido:

Das war der absolute Wendepunkt. 2007 bekam mein Album "7" Platin, das sind 200 000 verkaufte Platten und ein Umsatz von fast zwei Millionen. Für meine Touren habe ich allein 700 000 Euro Gage bekommen. Alles war geil, das Leben stand mir offen. Ich war für viele so ein Arschloch, sodass ich mich gar nicht benehmen musste. Ich zog mit Kumpels rum, schlief bis 18 Uhr, soff, feierte - mit Drogen hatte ich schon lange aufgehört, Zigaretten rauche ich nicht. Jeden Tag hatte ich zwei oder vier Frauen. Ich verlor den Bezug zur Realität. Meine Mutter hatte ich sechs Monate am Stück nicht mehr gesehen, dann kam dieser grandiose Anruf, dass sie Krebs hat und ihr am Montag die Brust amputiert wird. Ich habe die Welt nicht verstanden. Ich will grad zu einer krassen Party in München, und meine Mutter hat jetzt Krebs?!

Abendblatt:

Wie hat der coole Rapper auf diesen Riss in seiner Welt reagiert?

Bushido:

Ich habe gemerkt, dass ich auch mit 29 Jahren noch ein Kind bin, das Kind meiner Mutter. Ich habe noch meine Tour spielen müssen, weil die Karten schon verkauft waren. Aber dann war ich fertig, habe meinen Führerschein verloren, bekam Migräneanfälle. Über anderthalb Jahre habe ich mich dann nur noch um meine Mutter gekümmert. Und mich mit mir selbst und Gott auseinandergesetzt. Habe gebetet. Habe ihm Deals angeboten wie "Ich will nie wieder eine CD verkaufen, wenn sie gesund wird."

Abendblatt:

Sind Sie religiös?

Bushido:

Ich glaube an Gott, in jeder Sekunde meines Lebens.

Abendblatt:

Jetzt haben Sie auch eine Freundin. Sind Sie etwa häuslich geworden?

Bushido:

Ich habe meine Mutter bei mir wohnen, habe zwei Hunde im Garten, noch häuslicher geht es nicht! Viele Menschen würden mir dieses Muttersöhnchen-Ding vorwerfen. Wenn ich das Hartsein aufgeben müsste, weil ich Respekt vor meiner Mutter habe, dann mache ich das gern. Dann bin ich eben Muttersöhnchen!

Abendblatt:

Jetzt ist Ihr Leben verfilmt worden. Hat Film Sie je so begeistert wie Musik?

Bushido:

Film ist eigentlich meine große Leidenschaft. Ich habe 700 DVDs, alle ganz normal bezahlt. Ich klaue sehr ungern, früher habe ich das aus Notwendigkeit getan, heute nicht mehr. Ich kann bei vielen Filmen die Dialoge mitsprechen.

Abendblatt:

Haben Sie durch das Konzentrat Ihres Lebens, das über die Leinwand flimmert, auch selbst eine neue Perspektive auf Ihr Leben bekommen?

Bushido:

Das Ganze war schon ein wenig wie Selbsttherapie. Aber obwohl ich ein abgefreakter Vogel bin, lebe ich doch sehr in der Realität. Natürlich saß ich letzte Woche in München, habe den Film angeguckt und habe gedacht: "Krass, Alter! Plötzlich hast du eine Vergangenheit in bewegten Bildern!" Alles, was in meinem Kopf ist und woran ich mich erinnere, ist plötzlich da, mit Text und Gesichtern, Ton und Musik. Das war natürlich überwältigend.