Judith Rosmair und Johann von Bülow sind in „Constellations“ am St. Pauli Theater ein Paar, das viele Wege gehen kann. Premiere ist am Montag

Hamburg. Eine kitschige Liebesgeschichte würde von endloser Liebe erzählen. Nick Paynes Stück „Constellations“ – frei übersetzt „das Zusammentreffen von Umständen“ – erzählt von unendlich vielen Wegen, die ein Paar miteinander gehen kann. Liebe kann ein glücklicher Zufall sein, aber was, wenn man einmal ihre Vorbedingungen ein wenig verändert? Am Londoner Royal Court Theatre, wo das Stück uraufgeführt wurde, bekam es hymnische Rezensionen. Nicht zuletzt dank der Darsteller. Das könnte auch zur Premiere am 24. November in Hamburg klappen. Hier werden Judith Rosmair und Johann von Bülow unter der Regie von Wilfried Minks am St. Pauli Theater zu sehen sein. Wir sprachen mit ihnen.

Hamburger Abendblatt:

Im Stück fallen wiederholt ähnliche Dialoge. Geht es dabei um ein Paar und um fünf verschiedene Varianten, wie es mit ihnen weitergehen könnte?

Johann von Bülow:

Es ist eine klassische Mann-trifft-Frau-Geschichte. Zwei Menschen kommen zusammen, trennen sich, begegnen sich wieder. Am Ende steht eine Todesfuge, die das Ganze zusammenhält. Zunächst bekommt man scheinbar unlogische Schnipsel der Rahmenhandlung. Man könnte es mit einem Teller, der in fünf Teile zerbricht, vergleichen. Von dessen fünf Scherben bekommt man erst eine und dann eine andere zu sehen. Am Schluss wird der Teller aus den Scherben zusammengefügt – und dann versteht man es.

Judith Rosmair:

Ich finde diese Struktur total sexy. Marianne, die Figur, die ich spiele, ist Physikerin. Sie kennt verschiedene Theorien über die Zeit, beispielsweise, dass sie in der Quantenphysik eine andere Bedeutung hat als in der Relativitätstheorie, dass Dinge parallel zueinander geschehen. Im Stück bringt uns das zu der Frage „Was wäre wenn?“ Was wäre, wenn der Mann die Frau unattraktiv findet, er verheiratet wäre, sie sich danebenbenimmt, nur einer von beiden sich verliebt? All diese Variationen kommen vor und werden weitergeführt. So sieht man das Paar in den verschiedensten Lebensstationen.

von Bülow:

Stellen Sie sich vor, wie Ihr Leben verlaufen würde, wenn Sie sich scheiden lassen, ein Kind haben, krank werden. Wenn jede Entscheidung, die Sie nicht getroffen haben, in einem Paralleluniversum weiterexistieren würde.

Rosmair:

Die Beziehung wird schillernd, weil man so vieles zeigen kann, was zwischen den beiden passiert. Sie bleiben natürlich immer dieselben Menschen, haben aber unterschiedliche Möglichkeiten mit Liebe und Schmerz umzugehen. Man kann tapfer sein, zusammenbrechen, wütend werden, geduldig sein, reifen. So etwas kennt doch jeder. Ich finde es ein sehr intimes Stück.

Wenn man das Stück liest, ist man anfangs verwirrt, weil vieles mehrfach gesagt wird.

von Bülow:

Dadurch merken die Zuschauer, wann sich der Weg für die Figuren ändert, so wird es unterscheidbar. Aber wir verfolgen die gleichen Menschen im Verlaufe dieses Abends und sehen ihnen bei Variationen ihres Lebens zu.

Wie lernt man diesen Text?

Rosmair:

Mit Grauen.

von Bülow:

Man weiß oft nicht, was als Nächstes kommt. Man kommt durcheinander.

Müssen Sie die einzelnen Haltungen stark gegeneinander ausdifferenzieren?

von Bülow:

Nein. Der Reiz liegt in den kleinen Abzweigungen, die man jeweils nimmt. Da ist nicht der eine lustig und der andere traurig – das wäre penetrant.

Rosmair:

Es geht nicht um eine virtuose Verwandlungsgeschichte, es geht um unterschiedliche Wege.

von Bülow:

Es gibt nichts Zufälliges in diesem Stück. Alles fügt sich so, dass jeder irgendwann versteht, was gemeint ist. Wir müssen, wie immer im Theater, das Geheimnis des Stückes schützen, anstatt alles demonstrativ vorzuführen.

Geheimnis?

Rosmair:

Wie in der Psychologie: Es kommt nur auf den Blickwinkel an. Wie Menschen fragen, hoffen, verzweifeln, das fächert der Autor Nick Payne ganz wunderbar auf.

von Bülow:

Es sind Geschichten zwischen Mann und Frau. Was da alles nicht funktioniert. Man sieht Menschen beim Scheitern zu. Das hat einen sehr hohen Wiedererkennungswert. Dann schleicht sich ganz unauffällig eine Rahmenhandlung von größerer Dimension ein. Wir ahnen natürlich schon am Anfang, dass es etwas mit Tod und Krankheit zu tun haben muss. Aber erst am Ende erkennen wir eine sehr traurige Geschichte. Und ganz am Schluss gibt es dann wieder eine neue Variante, darüber, dass es vielleicht auch ganz anders sein könnte.

Rosmair:

Mein Lieblingssatz aus dem Stück ist zurzeit: Unter dem Einfluss ganz bestimmter Gesetze werden wir einfach durch die Gegend geschleudert. Ich fühle mich als Schauspielerin gerade auch ganz schön durchgeschleudert.

„Constellations“ St. Pauli Theater, Spielbudenplatz 29–30, Premiere 24.11., 20 Uhr, weitere Vorstellungen 25., 27.-30.11., 23.-28.2.2015, jeweils 20 Uhr, Kartentelefon: 040/30 30 98 98