Am 30. September feiert „Der Mann, der Udo Jürgens ist“ runden Geburtstag

Hamburg. Besorgnis und Fürsorge eilen dem Star voraus: „Der Dreh läuft noch... ausruhen... Wenn er nicht sagt, er kann nicht mehr...“ Damen mit Walkie-Talkies bitten die Journalisten vor dem Passage-Kino um Geduld. Ein wenig staksig wirkt der beinahe 80-Jährige schon, als er schließlich im Saal ankommt. In „Der Mann, der Udo Jürgens ist“ erscheint er beweglicher. An diesem Abend hat der Film Premiere, den Hanns-Bruno Kammertöns und Michael Wech anlässlich Jürgens’ Geburtstag am 30. September gedreht haben.

Nicht zufällig legt der Titel eine Distanz zwischen Person und Namen nah. „Ich bin nicht sicher, ob ich zu der Liga gehöre, über die es sich lohnt, einen ganzen Film zu machen“, sagt Jürgens ohne Koketterie, eher mit leichtem Staunen. Jede Frage der Journalisten beantwortet er, als wäre sie ihm neu. Und zeigt sich, ganz wie im Film, als jemand, der den Unauflösbarkeiten des Lebens nie ausgewichen ist.

Die Stationen dieses besonderen Lebens erzählen Kammertöns und Wech ohne Weichzeichner, mit nüchternem Respekt. Sie spüren Jürgens’ idyllischer Kindheit nach, sie schildern die Jahre, in denen sein Entschluss für die Musik ohne Anerkennung blieb, bis ihn 1964 der Sieg mit „Merci, Chérie“ beim Eurovision Song Contest schlagartig berühmt machte. Sie folgen ihm durch die Jahrzehnte seiner Karriere.

Mag er seine Enttäuschungen und Fehler zum Thema machen: Jürgens hat so ungefähr alles gekriegt, was er wollte. Und alle. Frauen nämlich. Doch die Hauptrolle hat immer die Musik gespielt. Das hat auch seine Familie schmerzlich lernen müssen. Kammertöns und Wech holen Menschen vor die Kamera, die nicht nur schöne Erfahrungen mit ihm gemacht haben können: seine Kinder, seinen verflossenen Manager, seinen Bruder. Es spricht für den Film, dass kein denunziatorisches, kein hässliches Wort fällt.

Man muss Jürgens’ Musik nicht mögen, um zu erkennen, wie gut sie gemacht ist. Aber dass Titel wie „Aber bitte mit Sahne“ oder „Griechischer Wein“ längst Gemeingut sind, das verdankt Jürgens wohl dem Amalgam von Musik und Text – und seiner unbedingten Ehrlichkeit. Es braucht Größe zuzugeben, wie toll sich der Jubel von Tausenden anfühlt und wie einen hinterher die Stille im Hotelzimmer herunterzieht.

1969 hat sich in Hamburg eine Szene zugetragen, die Jürgens’ Biografie fast romanhaft verdichtet: Gerade hat das Publikum ihn frenetisch gefeiert; selbst als er sich längst umgezogen hat, rufen die Leute noch nach ihm. Da geht er im Bademantel noch einmal hinaus, singt ein allerletztes Lied – und hat damit ein Markenzeichen geschaffen. Zurück in der Garderobe, wird sein Onkel vorgelassen, ein Hamburger Wirtschaftsmagnat. Der hatte die Entscheidung des Neffen für die Bühne nie goutiert und diesen einmal auf demütigende Weise aus seiner Villa komplimentiert. Nun bittet der Onkel um Verzeihung. Näher sind sich Triumph und Tränen selten gewesen.

„Mitten im Leben“ überschreibt Jürgens die Tournee, zu der er Ende Oktober aufbrechen wird. Dass das Motto zu seiner Lebensphase nicht passt, räumt er unumwunden ein – und auch, dass er über den Tod nicht singen könne. Zu nah. Ob er manchmal ans Aufhören denke, fragt jemand am Premierenabend. „Natürlich“, erwidert Jürgens. „Ich merke mit Beklemmung, dass sich das Leben einer Schließung zuneigt. Hoffentlich kann ich noch denken bis dahin, Klavier spielen und lesen.“

Aber dann kommt ihm doch wieder ein Projekt in den Sinn: „Die Berliner Philharmoniker haben Teile meiner sinfonischen Dichtung aufgenommen. Ich würde mir wünschen, dass sie sie noch mal mit mir und meiner Rhythmusgruppe live spielen.“ Wenn es nach Udo Jürgens geht, ist eben auch mit 80 noch lange nicht Schluss.

„Der Mann, der Udo Jürgens ist“, So 21.9., 21.40 Uhr, Arte, und So 29.9., 20.15 Uhr, ARD