Mit einem neuen Album geht der 79-Jährige wieder auf große Tournee. Denn lieber zu viel Tumult als zu wenig, wie der beliebte Musiker im Interview mit dem Hamburger Abendblatt erzählt.

Zürich. Diese Hits kennt jeder: „Aber bitte mit Sahne“, „Griechischer Wein“ oder „17 Jahr, blondes Haar“ oder auch „Ein ehrenwertes Haus“. Mit einem neuen Album geht Udo Jürgens, 79, nun auf große Tournee. Denn lieber zu viel Tumult als zu wenig, wie Jürgens im Interview erzählt.

Was nervt Sie am Älterwerden?
Udo Jürgens: Die Verkürzung des vor einem liegenden Weges. Es wird einem irgendwann bewusst, dass jeder Tag eine Verkürzung ist. Man sieht links und rechts im Freundeskreis die schweren Erkrankungen, die mit dem Alter begünstigt werden. Schon eine Grippe ist mit 80 lebensgefährlich. Das sind natürlich die Dinge, die einen ängstigen. Man wird vorsichtiger. Bei mir sind es, Gott sei Dank, bisher nur Wehwehchen. Das Älterwerden ist auch eine Kopfsache. Dass man sich dem im Kopf stellt und es nicht leugnet, ist ganz wichtig. Aber wenn ich auf der Bühne stehe, ist der Unterschied zu früher nicht groß. Meine Stimme funktioniert genauso gut wie früher.

Davon können sich Zehntausende live überzeugen, wenn Ende Oktober Ihre 25. Konzerttournee beginnt. Werden die Fans Sie dann bei der letzten Zugabe wieder im berühmten weißen Bademantel erleben?
Jürgens: Das ist eine Tradition geworden, die man auch als Marotte bezeichnen könnte. Bei meinem ersten abendfüllenden Konzert, das war in Hamburg, gab es eine Viertelstunde lang Sprechchöre. Ich habe mir in der Kabine den Bademantel übergeworfen und bin wieder auf die Bühne. Da hat mein Manager gesagt, das war toll, das behalten wir bei. Heute ist es so, dass man von meinem Bademantel mehr spricht als von mir.

Was können die Fans – mal abgesehen von der Bademantelzugabe – bei Ihrer neuen Tournee mit dem Titel des neuen Albums „Mitten im Leben“ erwarten?
Jürgens: Natürlich werden die am besten für die Bühne geeigneten Lieder des neuen Albums dabei sein. Und es werden – wie es sein muss in jedem Konzert – die großen Lieder meines Lebens dabei sein. Es wäre dem Publikum ja auch nicht zuzumuten, wenn zum Beispiel „Ich war noch niemals in New York“ nicht kommen würde. Oder „Griechischer Wein“, „Aber bitte mit Sahne“, „Mit 66 Jahren“, „Ein ehrenwertes Haus“ oder „Immer wieder geht die Sonne auf“. Viele Lieder sind Evergreens geworden. Das ist ein unglaubliches Glück für mich, dass ich immer wieder den Puls der Zeit getroffen habe.

Da Ihre 25. Tournee „Mitten im Leben“ heißt, ist sie sicher nicht als Abschied gedacht. Haben Sie schon Pläne für die Zeit danach?
Jürgens: Ja, aber erst einmal keine neue Tournee. Ich werde in mich hineinhorchen. Ich will erst einmal wieder kreativ sein. Wenn das gelingt und ich der Meinung bin, dass ich etwas Neues, Interessantes geschrieben habe, dann will ich damit auch wieder auf die Bühne. Die Frage ist, ob das dann Konzertsäle sein werden. Ich träume auch davon, mal wieder in Clubs aufzutreten. Eines ist aber sicher: Es wird nie so weit kommen, dass man mich auf die Bühne tragen muss.

Schlagzeilen haben Sie einst nicht nur mit Hits, sondern auch mit sogenannten Frauengeschichten gemacht. Gibt es etwas zu bereuen?
Jürgens: Ich glaube, ich habe da nicht allzu viel falsch gemacht. Es ist die normalste Sache der Welt, dass man sich als junger Mensch des Öfteren verliebt. Und ich war vom Wesen her immer ein Strohfeuertyp, sodass ich dachte, mein Leben könne nur noch mit diesem Menschen weitergehen. Mir tun nur die leid, die all das nicht erleben. Lieber etwas zu viel Tumult, den man durch seine eigenen Fehler erlebt, als gar keinen.

Was war für Sie das größte Glück?
Jürgens: Die Geburt meines ersten Kindes, meines Sohnes John. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich da nicht diesen Rausch des Glücks empfunden, wie später, als ich den Grand Prix Eurovision gewann. Der jeweils größte Glücksrausch ging immer Hand in Hand mit meiner Musik. Das soll nicht mein Familienleben schmälern, ich liebe meine Kinder. Dass wir uns heute so nahe sind, ist ein unbezahlbarer Reichtum.

Bei einem Werk mit mehr als 1000 Liedern, würden Sie da manches gern zurückziehen wollen?
Jürgens: Ja, sicher. Ich habe Experimente gemacht, vom Klang her, von der Zusammensetzung der Musik her. Ich habe versucht, auf neuen Wellen zu schwimmen. Als die Beatles kamen, wollte man diese hochinteressante Harmonik kopieren. Ich habe alles Mögliche versucht. Immer, wenn ich sehr weit gegangen bin mit solchen Versuchen, bin ich gescheitert. Immer, wenn ich tief in mich hineingehört habe und meine Art, mich einem Thema zu nähern, angewandt habe, habe ich gemerkt, dass die Sache unglaublich erfolgreich wird. Das hat mir Mut gemacht, in meinem Stil zu bleiben. Ich habe aus diesen Versuchen viel gelernt.