Das Altonaer Theater fiebert der deutschen Uraufführung des Musiktheaterstücks „Backbeat“ entgegen

Hamburg. Die Geschichte der „Fab Four“ ist 1000-mal erzählt worden, dieser sagenhafte Aufstieg der Beatles aus den Kellerclubs in Liverpool und Hamburg bis zu größtem Weltruhm. Aber wieso eigentlich die „sagenhaften vier“? Als die Beatles 1960 zum ersten Mal nach Hamburg kamen, waren sie zu fünft. Den Bass zupfte damals nicht Paul McCartney, sondern ein cooler Sonnenbrillenträger namens Stuart Sutcliffe. McCartney spielte zweite Gitarre und am Schlagzeug saß noch Ringo Starrs Vorgänger Pete Best. Das Stück „Backbeat“ erzählt die Geschichte dieser ganz frühen Jahre und stellt Stu Sutcliffe und seine Hamburger Freundin Astrid Kirchherr in den Mittelpunkt. 1993 hat der britische Regisseur Iain Softley aus dieser Episode einen Kinofilm gemacht und darauf basierend die Vorlage für ein Theaterstück geschrieben, das erfolgreich im Londoner Westend lief. Am kommenden Sonntag kehren The Beatles nach Hamburg zurück: Auf der Bühne des Altonaer Theaters feiert „Backbeat“ seine deutsche Uraufführung.

Inszeniert wird der Stoff von Franz-Joseph Dieken. Der 56 Jahre alte Regisseur kann sich noch gut an seine erste Begegnung mit den Beatles erinnern. „Da muss ich 14 oder 15 gewesen sein. Ich hatte mir von gespartem Geld ein Uher-Tonbandgerät gekauft und bin damit zu einem Freund ins nächste Dorf geradelt. Der besaß das blaue und das rote Album der Beatles. Die beiden Doppelalben habe ich an einem Nachmittag bei ihm überspielt“, erinnert Dieken sich. „Damals waren sie ja schon Klassiker. Ich habe vor allem das Konzeptionelle in ihrem Werk geliebt.“ Auch seine jungen Schauspieler sind Feuer und Flamme für diese Musik, mit denen ihre Eltern groß geworden sind. „Die Songs in ,Backbeat‘ sind keine Lennon/McCartney-Kompositionen, sondern Rock-’n’-Roll-Klassiker. Aber die sind ja auch nicht totzukriegen“, sagt der Regisseur und meint damit Songs wie „Twist And Shout“, „Please Mr. Postman“ oder „Long Tall Sally“.

Dieken geht es in seiner Inszenierung nicht darum, die Geschichte der Beatles so historisch genau wie möglich zu erzählen: „Ich will zeigen, wie diese Band sich konstituiert hat. Wie sind die Jungs mit dieser Situation umgegangen? Wie hat es ich angefühlt, in schäbigen Absteigen zu leben und jeden Abend stundenlang auf der Bühne zu stehen?“ Die Inszenierung auf der Bühne sei jedoch schwieriger als im Film. „Das Kino hat es einfacher, weil es über Bilder ein Ambiente schaffen kann. Wir haben nur die Sprache“, so Dieken.

Und die Musik natürlich. Vor einem Jahr hat er schon angefangen, sich nach Schauspielern umzusehen, die auch Musiker sind, denn die Theater-Beatles werden live auf der Bühne spielen. „Ich wollte junge Schauspieler und ordentlich Testosteron in der Band. Die müssen richtig rocken“, verdeutlicht Dieken seinen Ansatz. Eiko Keller ist einer dieser jungen Wilden. Dieken kennt ihn seit einem Jahr, als er ihn für eine Umbesetzung für das Stück „High Fidelity“ gecastet hat: „Damals dachte ich schon, das könnte ein möglicher Lennon sein.“ Oder auch Delio Malär, den Dieken für einen Glücksfall hält. „Wir hatten eigentlich mit einem anderen Schauspieler über die McCartney-Rolle verhandelt. Das zerschlug sich, und plötzlich war Delio da. Er passt perfekt.“ Auch Uta Krüger als Astrid Kirchherr und David Nádvornik als Stu Sutcliffe sind junge talentierte Schauspieler, die am Anfang ihrer Karriere stehen.

Das Altonaer Theater hat auch originale Instrumente und Verstärker besorgt, die in den 60er-Jahren angesagt waren. „Das klingt anders als modernes Equipment, der Sound verortet das Geschehen entsprechend. Wichtig ist der energetische Zustand. Die Musik hat das Publikum damals noch ganz anders abgeholt als heute“, sagt Dieken.

Spannend sind auch die Figurenkonstellationen in „Backbeat“. Im Mittelpunkt steht die Romanze zwischen der Fotografin Kirchherr und Sutcliffe, die dazu führt, dass der junge Engländer in Hamburg bleibt und die Band verlässt. Sutcliffes Passion ist die Malerei, in ihr sieht er für sich mehr Potenzial als in der Musik. Bei den Beatles gelandet ist er durch seine Freundschaft mit John Lennon. Der reagiert eifersüchtig auf das kluge und hübsche Hamburger Mädchen, weil er spürt, dass der Freund ihm entgleitet. Die dritte spannende Konstellation ist die zwischen Lennon und McCartney. Letzterer möchte Sutcliffe am liebsten aus der Band werfen, weil der auf der Bühne den coolen Typen gibt und nicht so enthusiastisch bei der Sache ist. Doch Lennon macht seine Haltung klar: „Wenn er gehen muss, gehe ich auch.“

Ein Musical, so wie Dieken es mit „High Fidelity“ vor zwei Jahren am Altonaer Theater nach der Romanvorlage von Nick Hornby inszeniert hat, wird „Backbeat“ jedoch nicht. Es drehe sich zwar alles um Musik, und die Songs seien Teil des dramatischen Gerüsts, so Dieken: „Die einzelnen Szenen müssen auf die gleiche Höhe kommen wie die Musik. Die Songs müssen logisch und szenisch eingebunden sein.“ Sein musikalischer Leiter heißt Jens Wrede, spielt Bass, ist ein versierter Studiomusiker und gilt als Experte für Beatles-Songs. Für Bühne und Ausstattung sind Gunna Meyer und Sabine Kohlstedt verantwortlich, mit denen Dieken häufiger zusammengearbeitet hat. Sie müssen das Indra auf die Bühne bringen, jene Kneipe an der Großen Freiheit, in der die Beatles auf Teufel komm raus gerockt haben und die heute immer noch existiert. Aber auch hier geht es Dieken nicht um Realismus: „Theater ist ein Konstrukt. Wichtiger ist etwas anderes: Das Drama muss funktionieren.“ Drama gibt es genug, die Romanze zwischen Sutcliffe und Kirchherr endet tragisch. Der junge Engländer stirbt 1962 an Gehirnblutungen.

„Backbeat“ Premiere So 27.7., (ausverkauft), Altonaer Theater, Vorstellungen bis 31.8./ab 2.12.