Der britische Sänger begeistert rund 12.000 zumeist weibliche Fans in der Hamburger O2 World

Hamburg. Die junge Frau mit der Kurzhaarfrisur hält es nicht auf ihrem Sitz um Block U 18. Schon bei „I’ll Take Everything“, dem zweiten Song des Abends, steht sie auf und schmachtet den Sänger an. Der ist zwar etwa 100 Meter entfernt und sieht diese Liebesbekundung nicht, aber James Blunt spürt vorn auf der Bühne der 02 World mit Sicherheit, wie ihm die Herzen zufliegen. Von Beginn an ist die Stimmung in der fast ausverkauften Arena euphorisch, obwohl Blunt fast keine Rockkracher und schnelle Tanznummern im Repertoire hat. Die Songs des Engländers sind wie Amors Pfeile, jeder trifft mitten ins Herz – zumindest in das seiner vielen weiblichen Fans, die an diesem Abend in der Arena in der Mehrzahl sind. Es wird mitgesungen und vor allem mitgeklatscht, die Stimmung ist prächtig. Dass ihr Idol so manchen Ton im hochgestellten Falsett nicht trifft, tut der Begeisterung keinen Abbruch, man ist ja nicht in der Oper.

Auch in Schale geschmissen hat sich James Blunt für seine 12.000 Anhänger nicht. Er und seine Band tragen grüne Overalls, wie sie beim Militär oder in Kfz-Werkstätten üblich sind und vielleicht auch bei Astronauten unter ihren Raumanzügen. Auf den Ärmeln prangt der „Union Jack“, obwohl die Briten sich nie in der Raumfahrt engagiert haben. Blunts aktuelles Album heißt „Moon Landing“, und auch die in Deutschland startende Welttournee trägt diesen Titel. Videos von Raketenstars auf Cape Canaveral, von Neil Armstrong, dem ersten Mann auf dem Mond, und Aufnahmen aus dem All auf unseren blauen Planeten flimmern im Hintergrund der Bühne über die Leinwand und geben der Show einen visuellen Zusammenhalt. Die aktuellen Songs haben wenig mit dem Griff nach den Sternen zu tun: Als Armstrong über den Mond tapste, war Blunt noch nicht mal geboren. Der Titel rührt daher, dass Blunt sich wie in einer Raumkapsel gefühlt habe, als er die neuen Songs seines inzwischen vierten Studioalbums aufnahm.

Fast ein Drittel der Songs stammt an diesem Abend aus „Moon Landing“ wie das für Whitney Houston geschriebene nachdenkliche „Miss America“, das fröhliche „Postcards“ oder das hymnische „Blue On Blue“. Viele der Songs handeln von der Liebe, mit der Ballade „You’re Beautiful“ schaffte der Ex-Soldat 2004 den Durchbruch und wurde mit seinen gefühligen Liedern so etwas wie der Chris de Burgh der Gegenwart. Blunt ist freundlich und unprätentiös, Ecken und Kanten sind nicht auszumachen, er bietet die ideale Projektionsfläche für Sehnsucht und unerreichbare Liebe. Wenn er „You’re Beautiful“ singt, erreicht das jede Frau im Saal. „Goodbye, My Lover“, nur mit Klavierbegleitung gesungen, beschreibt den Trennungsschmerz und eine Erfahrung, die auch schon fast jeder einmal gemacht hat. Viele seiner Songs haben eher düstere Texte, aber Blunt präsentiert sie auf eine fast sonnige Art. Vielleicht ist das ein weiteres Geheimnis seines Erfolgs: Er wirkt grundsätzlich positiv, und selbstironisch ist er auch. Als er bei einem Song eine Ukulele benutzt, sagt er grinsend: „Die nehme ich immer mit zu Bett, weil ich damit größer aussehe.“ Kurz vor dem Zugabenteil gibt es den 40-Jährigen auch noch zum Anfassen. Da steigt er von der Bühne, läuft durch den bestuhlten Innenraum und klatscht Dutzende von Händen ab.

Das Publikum ist nach 90 Minuten völlig aus dem Häuschen. Mit ohrenbetäubendem Trampeln werden Zugaben eingefordert, die obligatorisch zum Programm gehören. „Stay The Night“, „Bonfire Heart“, den aktuellen Hit, und „1973“ gibt es als Draufgabe. Die Frau mit der Kurzhaarfrisur ist selig. Als das Saallicht aufflammt, geht sie mit verklärtem Blick Richtung Ausgang.