Der 22-Jährige hat einen Film über Gentrifizierung gedreht. Wenn alles gut läuft, wird der Film bei der Berlinale im Februar 2014 Premiere feiern.

Hamburg. Er will das Wort gar nicht mehr sagen. Zu oft wurde es benutzt, zu oft wurden daraufhin Augen genervt verdreht. Das Wort Gentrifizierung, das fast schon automatisch hervorgezerrt wird, wenn es um steigende Mieten, sich verändernde Stadteile oder auch nur den neuen Laden an der Ecke geht. „Ich sage lieber Kiezflucht“, erklärt Filmemacher Marcel Glauche.

Der 22-Jährige hat einen knapp halbstündigen Film darüber gemacht. „Angemessen ist der Preis, der erzielt werden kann“, sagt ein Makler im Vorspann aus dem Off. „Ich wohne hier seit 35 Jahren. Damals war die Gegend noch nicht in“, sagt ein Mann mit ausländischem Akzent. „Das ist mein Kiez.“ Glauches Protagonist, gespielt von Uwe Preuss, gehört in „Zwangsräumung“, so der Filmtitel, zu jenen, die durchs Mietraster gefallen sind, und holt sich, ohne mit dem Finger auf alle Zugezogenen zu zeigen, sein Zuhause zurück. Wenn alles gut läuft, wird der Film bei der Berlinale im Februar 2014 Premiere feiern.

Glauche ist in Hamburg aufgewachsen, pendelt derzeit zwischen Berlin und Hansestadt. Sein Film wurde in Kreuzberg gedreht und in Bergstedt geschnitten. Mutter Tina ist Cutterin und hat sich ihren Arbeitsplatz in einer Künstler-WG eingerichtet. Zwischen pseudolustigen Fußabstreifern, Kinderschaukeln und hübschen Vorgärten ist ein Film über Gentrifizierung entstanden.

Die Zusammenarbeit zwischen Sohn und Mutter lief gut. „Wir sprechen einfach dieselbe Sprache“, sagt Glauche. „Sie wusste immer sofort, was ich meinte.“ Er selbst sei fürs Schneiden nicht gemacht. „Dafür bin ich viel zu ungeduldig. Aber ich wusste immer, dass ich auch in dieser Filmwelt mitmischen will.“

Glauche war als Schauspieler in Filmen zu sehen, drehte aber auch Werbeclips. „Viele in der Branche pöbeln gegen Werbung“, sagt er. „Aber ich verdiene damit das Geld, um mir Träume zu erfüllen.“ Etwa den Traum von „Zwangsräumung“. Glauche hat seinen ersten eigenen Film fast komplett selbst finanziert. Um Filmförderung hat er sich absichtlich nicht beworben. „Ich wollte einfach komplett unabhängig sein.“ Deshalb war er nicht nur Produzent des Films, sondern auch gleich noch Drehbuchautor, Regisseur und Nebendarsteller in Personalunion.

„Da kann man keinem die Schuld geben, wenn etwas nicht so gut läuft“, sagt Glauche. So hat er in seiner Funktion als Regisseur auch ein paar Drehbuchautor-Lieblingsszenen aus dem Skript gestrichen und als Produzent die ein oder andere kreative Idee abgelehnt, weil sie schlicht zu teuer war. Dreieinhalb Monate hat er an dem Film gearbeitet. Die eine Hälfte seines Teams waren befreundete Laien, die andere Profis – ebenfalls aus seinem Freundeskreis. Neben Uwe Preuss spielen auch Ralf Richter und Kristin Suckow mit.

Glauche wohnt in Berlin-Friedrichshain in einer Wohnung mit einem, wie er sagt, angemessenen Preis. Ist er längere Zeit nicht da, vermietet er sie unter – ohne Aufschlag. „Ich könnte locker ein paar 100 Euro mehr verlangen“, sagt er. „Aber die Frage ist, ob ich das will.“ Letztlich müsse sich jeder fragen, ob er zum Problem mit der Kiezflucht beiträgt. Glauche erinnert sich an Hakan, der einen Kiosk unten im Haus hatte. Glauche war Stammkunde. Eines Tages war Hakan einfach weg. „In Hamburg ist die Gentrifizierung schon durch, aber in Berlin passiert das gerade erst.“ Ob sein Film tatsächlich bei der Berlinale läuft, wird sich demnächst entscheiden. Die Spannung steigt.