Die Zeitschrift war jahrzehntelang das Leitmedium der Jugend. Jetzt hat sie Probleme, um gegen Internet, Facebook und Twitter bestehen zu können.

Es gab Zeiten, da wurde die Aufklärung deutscher Teenager von Dr. Sommer und der „Bravo“ begleitet und nicht von Leon, John oder Emily aus „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“. Oder, deftiger noch, von Internet-Seiten wie Youporn und Co., die Sexfilmchen kostenlos zur Verfügung stellen. Es gab Zeiten, da war der wöchentliche Gang zum Kiosk ein Highlight, weil nur hier die Geschichten und Fotos der Stars für die Teens überhaupt erhältlich waren. Wie heilige Trophäen wurden Poster von A-ha, Bros oder später den Boybands New Kids on the Block oder Take That nach Hause getragen und liebevoll an der Kinderzimmerwand befestigt. Heute twittern Idole wie Miley Cyrus und Justin Bieber ihre Fotos plus persönlicher Anmerkungen selbst und landen quasi in Echtzeit direkt auf den Smartphones der Kinder und Jugendlichen. Es sind Zeiten, in denen Kids klicken und simsen, statt am Kiosk zu kaufen, lieber schnell konsumieren als in Ruhe schmökern. Es sind harte Zeiten für Zeitschriften wie „Bravo“, einst das Leitmedium aller Jugendlichen, mit der internetaffinen Kernzielgruppe der Zwölf- bis 19-Jährigen. So hat die Jugendzeitschrift „Mädchen“ gerade angekündigt, wegen zu niedriger Auflagen ab dem kommendem Jahr nur noch einmal im Monat, statt wie bisher alle zwei Wochen zu erscheinen. Dieses Schicksal soll „Bravo“, deren Auflage im dritten Quartal dieses Jahres bei 230.222 Exemplaren lag (Mitte der 90er-Jahre waren es noch deutlich mehr als eine Million), nicht ereilen.

Ein schwerer Weg, auch wenn sich das im August 1956 erstmals erschienene Jugendmagazin schon etliche Male neu erfinden musste. Die Herausforderungen, vor denen die Zeitschrift jetzt steht, sind mit früheren allerdings nicht zu vergleichen. Das weiß man natürlich auch in der Bauer Media Group, die das Heft seit 1968 im Wochenrhythmus publiziert. Im Mai wurde eine neue, junge Chefredakteurin ins Amt gehoben, die den Auflagenfall stoppen und im Idealfall neue Leser hinzugewinnen soll. Keine leichte Aufgabe für Nadine Nordmann. Die blonde 32-Jährige ist ein Bauer-Gewächs: Volontariat, Redakteurin bei „Bravo Girl“ und zuletzt Ressortleiterin beim Gong Verlag. Ihr Metier ist der People-Journalismus, und mindestens vom Alter her ist sie näher an der Zielgruppe dran als ihr Vorgänger Alex Gernandt. Das Bauer-Motto „Spring ins kalte Wasser und schwimm“ ist für Nordmann Chance und Risiko zugleich.

Mit großen Worten und einem Brutto-Invest im siebenstelligen Bereich wurde der Relaunch im September begleitet und durchgeführt. Es sei „der größte Umbruch in der Markengeschichte“, hieß es. Die größte Markenrevolution aller Zeiten sind die neu gestalteten Hefte nicht. Auffällig sind die modernere Schrift und die Titelgestaltung. Die Seite eins ist immer noch voll und bunt, wirkt aber aufgeräumter. Die Rubrik Dr. Sommer wurde ausgebaut, „denn die Probleme der Teens sind über die Jahre nicht weniger geworden, vor allem der einfache Zugang zu pornografischen Inhalten über das Internet verunsichert viele Jugendliche“, sagt Nadine Nordmann. Sie wirbt auf dem Titel mit „geilen Handystickern“, auf denen „Chill mal“ oder auch „Fuck, bin ich hot!“ steht. Ein anderer Titel buhlt um die Gunst junger Leser mit dem „Groupiealarm“ bei Sänger Samu Haber, der angeblich um Sperma angefleht wird.

„Natürlich darf ,Bravo‘ auch mal provozieren, das haben wir immer getan, letztendlich hat uns genau das so erfolgreich gemacht“, sagt Nadine Nordmann. Was stimmt, aber in Konkurrenz zum TV und dem Netz immer schwerer wird und nicht selten angestrengt wirkt. Viele Kids finden Sticker und Poster sehr „80ies“, also total out. Nordmann setzt deshalb zusätzlich auf Promis im Blatt. In der Rubrik „Stars erwischt“ werden wie in gängigen People-Magazinen bissig kommentierte Paparazzifotos gezeigt. Laut muss es sein und knallen oder mal ein Busen blitzen. Die klassisch positive Star-Berichterstattung funktioniere heute nur noch bedingt, erklärt die Chefredakteurin. „Wenn ein junger Star, wie etwa Miley Cyrus, mit Skandalauftritten weltweit für Schlagzeilen sorgt, können wir nicht mehr schreiben ,Miley, das hast du toll gemacht!‘. Die Kids sind mit ihren Idolen inzwischen direkt über Twitter und Facebook verbunden und glauben das nicht mehr“, so Nordmann.

Mit dem Relaunch wolle sie gezielt auf das veränderte Mediennutzungsverhalten der Jugendlichen reagieren: „Das Heft ist durch neue, Web-affine Rubriken und durch die Einbindung von QR-Codes nun noch stärker mit unserem Online-Auftritt unter bravo.de verzahnt“, so Nordmann. Gemeint ist die neue Rubrik „Web & App“, welche über Trends und Spiele im Internet informiert, aber vermutlich eher Pflichtprogramm denn Kaufgrund ist. Digital gibt es „Bravo“ als E-Paper und App, bei Facebook, Twitter und YouTube. Zu Recht darf man sich derzeit im Hause Bauer über eine Stabilisierung der Auflage freuen.

Die Zeiten, als das Dr.-Sommer-Team wie bei der Trennung der Boygroup Take That 1996 erste Anlaufstelle für verzweifelte Fans war, sind aber definitiv vorbei. „Ich glaube an die ,Bravo‘ als gedruckte Zeitschrift“, sagt Nadine Nordmann selbstbewusst. Die Jugendlichen hoffentlich auch.