300 Bands spielen ab heute auf dem Reeperbahn Festival, auch das Duo Gloria ist dabei

Hamburg. Seit der Premiere im Jahr 2006 versteht sich das Reeperbahn Festival als Musikmarathon voller Geheimtipps und Newcomer. Mehr als 300 davon tummeln sich von Mittwoch bis Sonnabend in den Clubs zwischen Spielbudenplatz und Feldstraße. Darunter ist auch die Band Gloria, die am Donnerstag in den Fliegenden Bauten spielt und einen Tag später ihr selbst betiteltes Debüt veröffentlicht. Newcomer sind die Mitglieder von Gloria genau genommen aber nicht.

Denn hinter dem ruhmreichen Namen stecken Mark Tavassol, bekannt als Bassist der 2012 bis auf Weiteres aufgelösten Band Wir sind Helden, und TV-Chaot Klaas Heufer-Umlauf, der mit Shows wie „17 Meter“ oder „Circus HalliGalli“ an der Seite von Joko Winterscheidt die deutsche Fernsehunterhaltung aufmischt. Das verwundert durchaus, stand Heufer-Umlauf doch als ehemaliger Viva- und MTV-Moderator bislang immer auf der anderen Seite der Popwelt.

Doch „Gloria“ ist ein sehr gutes Album, das Duo Mark & Klaas hat da ein feines Debüt hingelegt. Trotzdem muss bei einem Käffchen unweit des Chilehauses nachgehakt werden, wie es zu der Zusammenarbeit zwischen dem unauffälligen Hamburger Musiker und dem Berliner Remmidemmi-Moderator kam. „Wir sind da relativ ziellos reingeschleudert“, erzählt Heufer-Umlauf, der Tavassol vor sieben Jahren kennenlernte. Da Heufer-Umlauf schon als Teenager in Amateurbands spielte, trank man irgendwann nicht nur ein Bier zusammen, sondern schrieb spaßeshalber auch Texte und tauschte gegenseitig Melodie-Ideen aus, „bis wir an den Punkt ankamen, dass wir so viel Material hatten, das zu schade war, um es zu verlieren“. „Mein ganzes Handy war voll mit dem Zeug“, ergänzt Mark Tavassol. Aber erst vor zwei Jahren begann das Duo, konkret auf ein Album hinzuarbeiten.

Trotzdem hat der Eröffnungssong „Warten“ nichts mit der langen Zeit zu tun, die von den ersten Ideen bis zum fertigen Tonträger vergangen ist, sondern dreht sich um Verlust und im Stich gelassen werden. „Das Lied ist aber ein guter Zugang, ein Wegweiser für das Album“, sagt Tavassol, der durchaus noch Zeit zum Warten hat. „Klar, Musiker lamentieren manchmal über Stress, aber druck doch mal den Alltag eines normalen, nicht in den Medien stattfindenden Menschen wie einen Tourplan auf eine T-Shirt-Rückseite, dann hast du ein Kleid mit sehr langer Schleppe.“ Wenn also „Warten“ der Wegweiser ist, dann führt er zackig zu einer sehr warm und natürlich produzierten melodiösen Sammlung von zehn Liedern im Sound der späten 60er-Jahre.

Gleich mit dem zweiten Stück „Gute Nacht, bis morgen“ tritt das Doppel überraschend auf die Bremse. Andere würden es an das Ende eines Albums setzen, aber Tavassol und Heufer-Umlauf zeigen so schnell die Bandbreite ihres Schaffens. Sensibel und melancholisch wird hier die andere Seite eines HalliGalli-Zirkusdirektors gezeigt, der zumindest im Studio eine sehr gute Figur als Sänger macht. Eine Stimme mit Charakter, die an Rio Reiser erinnert.

Ein fertiger Frontmann ist Heufer-Umlauf aber nicht. Das Konzert auf dem Reeperbahn Festival ist „ein Sprung ins eiskalte Wasser“, gibt der Mikrofon-Newcomer zu. „Wahrscheinlich irre ich auf der Bühne herum, weil keine Aufkleber am Boden mir zeigen, wo ich zu stehen habe.“

Im Rahmen des Hamburger-Abendblatt-Abends in den Fliegenden Bauten werden die beiden Gloria-Jungs mit Band um 23.45Uhr nach dem Jazzensemble Sven Helbig & Fauré Quartett (20.45Uhr) sowie dem Indie-Pop-Duo Hundreds (22.20Uhr) auf die Bühne gehen und zeigen, „Wie sehr wir leuchten“. Wobei der gleichnamige Song zwar wie ein Lied wirkt, das ganz festivalgemäß Freundschaft und das Um-die-Häuser-Ziehen feiert, in den Strophen aber von Aufdringlichkeit und überzogener Hingabe handelt. Vieles in den Liedern von Gloria hat Kehrseiten, oder spricht wie das Lied „Eigenes Berlin“ oder das von Enno Bunger geschriebene „Regen“ in Bildern: „Welche Farbe hat dein Frosch im Hals?“

Gedankenlos und beliebig klingt jedenfalls anders als die beiden, die ihre Ideen ganz selbstverständlich „Endlich kombinieren“. „Es gibt Bands, die haben Herz, und es gibt Bands, die haben Taschenrechner“, sagt Heufer-Umlauf. „Gloria“ aber klingt von der ersten bis zur letzten Minute nach Herz. Das Warten hat sich gelohnt.

Gloria: „Gloria“ CD (Grönland Records) ab 27.9. im Handel, Konzert: Do. 26.9., 23.45, Reeperbahn Festival, Fliegende Bauten, Glacischaussee 4