Die Berufung des „Bild“-Journalisten Nikolaus Blome zum Vizechef des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ sorgt für Turbulenzen. Doch geht es nicht mehr allein um die Person Blome, sondern auch um die Berufung.

Hamburg. Es begann ganz harmlos. Als am Mittwoch Wolfgang Büchner die Ressortleiter-Konferenz des „Spiegel“ besuchte, verteilte er erst einmal ein paar Nettigkeiten. Der designierte „Spiegel“-Chefredakteur, der seinen Job am 1. September antreten wird, lobte die Berichterstattung seines neuen Blatts zur NSA-Abhöraffäre mit warmen Worten. Dann wollte er noch eine Personalie loswerden. Nikolaus Blome, der Vize-Chef der „Bild“-Zeitung, werde zum 1. Dezember neuer Leiter des Berliner Hauptstadtbüros und außerdem noch stellvertretender Chefredakteur des Nachrichtenmagazins.

„Wir waren alle völlig baff“, sagt ein Teilnehmer der Runde. Eine leitende Redakteurin fragte, ob Büchner verstehen könne, dass ein „Bild“-Mann auf einem so wichtigen Posten Irritationen auslöse. Nein, das könne er nicht, antwortete ihr künftiger Chef. Ein anderer wollte wissen, ob mit der Berufung des konservativen Blome ein Richtungswechsel verbunden sei. Er verstehe die Frage nicht, erwiderte der nun bereits etwas genervt wirkende Büchner. Er lehne „Silo-Denken“ – hier „Bild“-, dort „Spiegel“-Kultur – grundsätzlich ab. Ein dritter entgegnete, Büchner sei sich aber schon bewusst, dass sich die „Spiegel“- von der „Bild“-Kultur substanziell unterscheide. Blome sei ein guter Journalist, erwiderte der „Spiegel“-Chef. Er werde ein Gewinn für das Nachrichtenmagazin sein. In der Ressortleiterrunde sprang nur der leitende Redakteur Cord Schnibben Büchner bei. Blome habe doch bei einer Blattkritik beim „Spiegel“ einen guten Eindruck gemacht, meinte er. Und seine Talkshow mit „Spiegel“-Gesellschafter Jakob Augstein bei Phoenix sei nicht schlecht.

Doch die Berufung des „Bild“-Journalisten hat die Redaktion alarmiert. Auch auf der Ressortleiter-Sitzung am Donnerstag wurde die Personalie intensiv diskutiert. „Die Lage ist explosiv“, sagte ein Ressortleiter. „Die Hütte brennt“, fand ein anderer.

Jüngere „Spiegel“-Redakteure haben mit Blome offenbar weniger Probleme als ältere, die darauf verweisen, dass der künftige Vize-Chef des Nachrichtenmagazins bei „Bild“ für die nicht gerade unumstrittene Berichterstattung des Blattes zur Griechenlandkrise und zu den Fällen Thilo Sarrazin und Karl Theodor zu Guttenberg verantwortlich war. „Entweder muss Blome sich bei uns verbiegen, oder wir müssen uns von ihm und Büchner verbiegen lassen“, sagt ein älterer Redakteur.

Doch der Schwerpunkt der Diskussion hat sich verlagert. Mittlerweile geht es nicht mehr allein um die Person Blome. Es geht vielmehr darum, wie seine Berufung zustande kam. In Verlagskreisen erzählt man sich, dass die Geschäftsführung der Spiegel Mitarbeiter KG, die 50,5 Prozent der Anteile des Verlags hält, erstmals vor etwa zwei Monaten mit der Personalie Blome von „Spiegel“-Geschäftsführer Ove Saffe konfrontiert wurde. Bei dieser Gelegenheit habe die Spitze der Mitarbeiter KG darauf verwiesen, dass die Berufung eines neuen stellvertretenden Chefredakteurs nicht ohne ihre Zustimmung erfolgen könne. Unklar ist, ob, wie mehrere Quellen übereinstimmend behaupten, Saffe der KG zusicherte, gegen ihren Willen keinen stellvertretenden Chefredakteur berufen zu wollen.

Es ist strittig, ob die KG der Berufung eines Vizechefs zustimmen muss

Jedenfalls wusste die KG-Führung spätestens unmittelbar vor der Bekanntgabe der Personalie, dass Büchner und Saffe dennoch wild entschlossen waren, Blome nicht nur die Leitung des Hauptstadtbüros zu übertragen, sondern ihn auch zum Vize-Chef des Nachrichtenmagazins zu machen. So wurde gegen den ausdrücklichen Willen des „Spiegel“-Hauptgesellschafters am Mittwoch die Berufung Blomes in die Chefredaktion bekannt gegeben.

Ob die Mitarbeiter KG die Berufung stellvertretender Chefredakteure absegnen muss, ist strittig. Bereits vor Jahren gaben die damalige KG-Geschäftsführung und Saffes Vorvorgänger Karl Dietrich Seikel zu Protokoll, dass sie in diesem Punkt unterschiedlicher Ansicht sind. Beide Parteien gelobten etwaige Streitfälle einvernehmlich zu lösen. Wenn dies nicht möglich sei, solle ein Schiedsgericht entscheiden.

Dazu ist es bisher nie gekommen. Das könnte sich nun ändern. Die Mitarbeiter KG will, wie es im Verlag heißt, hart bleiben. Zumindest einige ihrer Vertreter führen ein weiteres Argument ins Feld, weshalb die Berufung Blomes, so wie von Büchner und Saffe gewünscht, nicht möglich sei: Mit der Personalie gehe eine „Strukturveränderung“ einher, die von den Gesellschaftern abgesegnet werden müsse. Denn Blome soll als Hauptstadtbüroleiter für den „Spiegel“ und Spiegel Online verantwortlich sein. Da die Onliner bei einer „Spiegel“-Tochter arbeiten, sei das nicht machbar. Kritisch sehen es manche in der Redaktion auch, dass Blome zugleich Vizechef und Ressortleiter beim Nachrichtenmagazin wird. Als Mitglied der Chefredaktion habe er bessere Möglichkeiten als andere Ressortchefs Themen im Blatt unterzubringen.

Die Mitarbeiter drängen auf eine außerordentliche Gesellschafterversammlung der KG, die aber etwa drei Wochen vorbereitet werden muss. Für nächste Woche ist eine Infoveranstaltung im Gespräch. Für Saffe, dessen Verhältnis zur KG schon seit Längerem als belastet gilt, aber auch für Büchner könnte es eng werden. Als Kompromiss kursiert im Verlag ein Szenario, wonach Chefredaktion und Geschäftsführung zunächst auf eine Berufung Blomes zum stellvertretenden Chefredakteur verzichten. Der „Bild“-Journalist würde demnach einstweilen nur als Leiter des Hauptstadtbüros zum „Spiegel“ wechseln. Eine Berufung zum Vizechef könnte ein halbes Jahr später erfolgen.

Die Mitarbeiter KG wollte sich ebenso wenig wie Büchner und der Spiegel-Verlag zu der Sache äußern.