Das Kasseler Amtsgericht urteilt, der Hitlergruß des Künstlers sei Teil einer Inszenierung gewesen. Staatsanwalt prüft Berufungschancen. In Mannheim droht Meese neuer juristischer Ärger.

Kassel. Wenn zwei das Gleiche tun, ist das noch nicht dasselbe. Zumindest wenn sich einer von ihnen als Künstler versteht. Diese Meinung vertritt das Amtsgericht Kassel, das den Berliner und Ahrensburger Künstler Jonathan Meese am späten Mittwochnachmittag im Prozess um den verbotenen Hitlergruß freigesprochen hat.

In der Urteilsbegründung wird ausdrücklich auf die Kunstfreiheit Bezug genommen. „Es ist klar, dass der Angeklagte sich nicht mit nationalsozialistischen Symbolen oder Hitler identifiziert, sondern das Ganze eher verspottet“, sagte die Vorsitzende Richterin. Auslöser des Prozesses war ein Interview am Rande der Kasseler Documenta im Juni 2012, in dessen Verlauf Meese nicht nur die „Diktatur der Kunst“ gefordert und die Demokratie beschimpft, sondern auch zweimal den Arm zum Hitlergruß erhoben hatte. Da dieser in Deutschland gesetzlich verboten ist, brachte ihm das eine Anklage wegen des Verwendens von Symbolen verfassungswidriger Organisationen ein.

Dass Provokation seit jeher zu den wichtigen Elementen in Meeses Kunst gehört, ist allgemein bekannt. Er selbst beruft sich stets auf die im Grundgesetz garantierte Kunstfreiheit – und auf eine wichtige Unterscheidung: „Man muss strikt trennen zwischen der Bühnenperson Jonathan Meese und dem mickrigen Privatmenschen Jonathan Meese“, hatte er erklärt.

Dass er den Hitlergruß nicht auf der Bühne, sondern bei einem Interview gezeigt habe, spiele keine Rolle, da für ihn jedes Interview zugleich eine Performance sei. Das Gericht konnte das offenbar nachvollziehen. Es sei bei der Performance um eine Kunstdiskussion gegangen, urteilte die Richterin. Zudem sei die Atmosphäre auch im Zusammenhang mit der damals bevorstehenden Weltkunstausstellung Documenta „aufgeladen mit Kunst“ gewesen.

Hitlergruß als Teil einer Inszenierung

Meese zeigte sich nach dem Freispruch erleichtert. „Die Kunst hat hier triumphiert. Jetzt bin ich befreit“, betonte er. In seinem fast eine halbe Stunde dauernden Schlusswort hatte er sich zuvor von jeder Ideologie distanziert. „Ich kann einen Apfel malen, ohne je einen Apfel gegessen zu haben. Ich kann den Hitlergruß machen, ohne etwas damit zu tun zu haben. Das geht“, betonte der Künstler. Staatsanwalt Enrico Weigelt will das Urteil jedoch überprüfen und eventuell Berufung einlegen „und dann mal schauen, was man draus macht“. Die Staatsanwaltschaft hatte in dem Verfahren eine Geldstrafe von 12.000 Euro gefordert. Das Gesetz, meint Weigelt, garantiere nicht die grenzenlose Kunstfreiheit. Schließlich dürfe man im Namen der Kunst auch nicht straflos töten, verletzen oder einsperren.

Die Verteidigung des 43 Jahre alten Künstlers hatte auf Freispruch plädiert. Der Hitlergruß sei Teil einer Inszenierung gewesen. Meese sei nicht als Privatmensch dort gewesen, sondern als Bühnenfigur. Es sei keine persönliche Äußerung gewesen. „Es handelte sich unzweifelhaft um ein Werk der Kunst“, betonte sein Verteidiger Pascal Decker.

Anwältin Heide Sandkuhl konstatierte: „Man muss das, was Jonathan Meese macht, nicht mögen, aber man darf es nicht verurteilen.“ Dem folgte das Gericht. Aber Jonathan Meese wird auch künftig deutsche Gerichte beschäftigen: In Mannheim droht ihm weiterer juristischer Ärger, diesmal wegen möglicher Volksverhetzung. Bei einer Theateraufführung hatte er im Juni eine Alien-Puppe mit einem Hakenkreuz beschmiert – und mehrmals den Hitlergruß gezeigt.