Die Chronik des Leidenswegs des in Deutschland geborenen und Bremen aufgewachsenen türkischen Staatsbürgers Murat Kurnaz:

3. Oktober 2001: Der 19-Jährige verlässt Deutschland, reist kurz nach den Anschlägen des 11. September nach Pakistan, er will in einer Madrassa (religiöse Schule) den Koran studieren. Da ihn die Schule für einen Journalisten oder "Spion" hält, nimmt sie ihn nicht auf, er reist herum, übernachtet in Moscheen.

1. Dezember 2001: Kurnaz wird nahe Peschawar auf dem Weg zum Flughafen von Kopfgeldjägern festgenommen und den Amerikanern übergeben. Man bringt ihn ins US-Militärgefängnis in Kandahar, wo er gefoltert wird.

15. Januar 2001: Ein Vorauskommando der deutschen Eliteeinheit KSK trifft in Kandahar ein, wo sie das US-Militärgefängnis überwacht. Kurnaz wirft ihr später vor, ihn misshandelt zu haben.

2. Februar 2002: Als mutmaßlicher Terrorist fliegt man ihn nach Guantánamo.

20. Februar: Der Bremer Verfassungsschutz vernimmt Freunde und Bekannte von Kurnaz. Laut Vermerk des LKA findet sich in seinem Umfeld "keine direkte Aussage, wonach dieser (Kurnaz) in Afghanistan gegen die Amerikaner kämpfen wollte". Kurnaz' Mutter fragt im Auswärtigen Amt, wo ihr Sohn ist.

23./24. September 2002: Mitarbeiter des BND und des Verfassungsschutzes verhören Kurnaz in Guantánamo.

26. September 2002: Der Bundesnachrichtendienst informiert die Bundesregierung, die USA sähen Kurnaz' Unschuld als erwiesen an. Seine Chancen, im November freizukommen, seien gut.

29. Oktober: In der Präsidentenrunde des Bundeskanzleramts kommt man überein, Kurnaz nicht wieder einreisen zu lassen, sondern in die Türkei abzuschieben, Unverständnis auf US-Seite.

2. Juli 2004: Kurnaz' Mutter und sein Anwalt reichen Klage auf Haftprüfung ein, die Haft sei völkerrechtswidrig.

August 2004: Bremer Behörden erklären Kurnaz' unbefristete Aufenthaltsgenehmigung für erloschen.

31. Januar 2005: Eine US-Bundesrichterin stuft die Haft als illegal ein. Es lägen keine brauchbaren Beweise vor.

24. August 2006: Kurnaz wird freigelassen, trifft in Deutschland ein. Mehrere Untersuchungsausschüsse befassen sich damit, warum deutsche Behörden sich nicht eingesetzt haben. Ex-Kanzleramtsminister Frank Walter Steinmeier sagt später, er würde wieder so entscheiden, er habe Kurnaz damals als Sicherheitsrisiko eingestuft.

April 2007: Kurnaz' Buch "Fünf Jahre meines Lebens. Ein Bericht aus Guantánamo" erscheint.

2008: Die Ermittlungen gegen zwei deutsche Elitesoldaten werden aus Mangel an Beweisen eingestellt.