Mit “Hamborg, mien Hoben“ veröffentlichen Wiebke Colmorgen und Meike Schrader Hymne auf ihre Stadt zwischen Tradition und Subkultur.

Hamburg. Plattdeutsch, das ist für Wiebke Colmorgen nicht nur Ohnsorg-Theater und das ewige Lied vom "Jung mit'n Tüddelband". "Versteht mich nicht falsch, Heidi Kabel finde ich toll. Und früher, bei Festen aufm Dorf, hab ich immer am Rentnertisch gesessen, um zu hören, wie die schnacken", erzählt die 38-Jährige, die auf einem Bauernhof in Schleswig-Holstein aufwuchs, in der Nähe von Lütjenburg ("Das waren damals Großstadtmenschen für mich"). Doch sie sei nun mal nicht nur "Nordgewächs", sondern auch "Deutschpop-Pflanze", sagt Colmorgen über sich und zwirbelt ihre braunen Locken auf dem Kopf zusammen. Und weil in ihrem Plattenschrank Musik von Lindenberg bis Blumfeld steht, sie aber zugleich den Zungenschlag ihrer Heimat liebt, hat sie es sich mit Leidenschaft zur Aufgabe gemacht, das Plattdeutsche ins Heute zu transportieren. Tradition und Subkultur, althergebrachte Mundart und frischer Sound sind für die Journalistin und Moderatorin kein Widerspruch.

Mit "Hamborg, mien Hoben" veröffentlicht Colmorgen jetzt gemeinsam mit der Hamburger Musikerin Meike Schrader eine feine Liebeserklärung an die Hansestadt, die jedoch nicht bloß rosarot in Lokalpatriotismus schwelgt. Zu Piano und Akkordeon singen die zwei davon, sich reich zu fühlen, auch ohne Geld auf der Bank. Und dann geht's bis in die Früh in den Pudel Club, weil da noch "bannig wat los" ist.

"Der Song hat sich eigentlich von selbst geschrieben, der wollte einfach raus", erzählt Schrader. Sie hat mit "Hamburg, mein Hafen" das Original verfasst, auf dem die etwas andere plattdeutsche Ode basiert. Mit verschränkten Beinen hockt die 35-Jährige auf dem alten Sofa in Wiebke Colmorgens Küche in der Neustadt. Ihr roter Cordrock bildet einen hübschen Kontrast zu dem hellgrünen Bezug des Möbels. Das bunte Blumenmuster der Tapete an der Wand hinter ihr würde jedem 70er-Jahre-Film zur Ehre gereichen. Colmorgens vier Monate alter Sohn Enno wird nebenan von Großmutter und Großtante gehütet. Es gibt Kekse, dazu Kaffee im Pott. Die Atmosphäre ist familiär. Diese Wärme macht auch den Charme des Hamburg-Liedes aus.

"Einen schönen Sommer lang habe ich geholfen, ein Schiff anzustreichen. Und als ich da jeden Tag mit dem Rad in den Hafen gefahren bin, habe ich es einfach extrem genossen, in dieser Stadt zu Hause zu sein", sagt Schrader. Doch ihr war es sehr wichtig, dieses Lebensgefühl nicht einfach in ein Loblied zu verpacken. Das Prekäre und die Schwierigkeiten, als Künstler in Hamburg zu arbeiten, das schwingt ebenfalls mit in ihren Versen. "Ich wollte einfach sagen: Hallo Stadt, hier bin ich, akzeptier mich, wie ich bin", sagt Schrader. Oder, wie sie mit samtiger Stimme in ihrem Song singt: "Ich bin kein Yuppie, kein Spießer, kein Nerd und kein Punk / sitze zwischen allen Stühlen / und das kann auch so bleiben." Colmorgen und Schrader sind keine Frauen, die nur ein cooles Szeneding durchziehen wollen. Stattdessen kämpfen sie passioniert dafür, ihrer Stadt das Stückchen Seele zu geben, das sie lebenswert macht.

Schrader etwa lädt jeden ersten Sonntag im Monat mit den befreundeten Musikern Sasa Jansen und Stefan Waldow zu der Konzertreihe "Sängerknaben und Sirenen" ins Gängeviertel. Das einst umkämpfte historische Quartier mitten in der City lässt sich für Schrader und Colmorgen gut mit der plattdeutschen Sprache vergleichen. "Die Glasbauten drum herum, die repräsentieren für mich die Globalisierung", sagt Wiebke Colmorgen. Auf Effizienz sei das ausgerichtet, so wie Chinesischunterricht für Dreijährige. Das Plattdeutsche hingegen sei auf den ersten Blick nutzlos. "Das wird kaum noch verwendet. Außer auf dem Acker oder bei der Toepfer-Stiftung", sagt sie und lacht. Aber die alten Gebäude würden - ebenso wie die alte Sprache - dem Ganzen eine gewisse Schönheit verleihen, eine Identität. Jenseits von öder Homogenität. Und um diese besondere Klangfarbe zu bewahren, ermuntert Colmorgen Hamburger Musiker, in dieser, wie sie findet, "äußerst poetischen Sprache" zu dichten und zu singen.

In ihrer Sendung "Tide Sessions" im Lokalfernsehen, wo sie noch wenig bekannteren Acts eine Plattform für Konzerte bietet, improvisiert Colmorgen mit ihren Gästen stets einen Song auf Platt. So auch mit Meike Schrader.

"Bei vielen Bands klingt das immer nach Rudi Carrell. Das ist für mich dann einfach ein bisschen Quatsch mit Soße", sagt Colmorgen. Als bekennende Freundin des Prinzips "Pleiten, Pech und Pannen" verlangt sie von anderen keinen Purismus in Sachen Plattdeutsch. Aber Meike Schrader, sagt sie, die hätte so eine ganz eigene Aussprache gehabt. Das gefiel ihr. Und so wuchs die Idee, "Hamborg, mien Hoben" im Studio einzusingen. Neben dieser Nummer und dem Original enthält die Single, die am Freitag als digitaler Download erscheint, noch Colmorgens Plattversion von Bernd Begemanns "Weg aus dem Tal nach München".

"Ich bin zwar Hamburgerin, hatte aber nie aktiv Berührung mit dem Plattdeutschen", erzählt Schrader, die in Eimsbüttel in einer umgebauten Lagerhalle lebt und musiziert. Mittlerweile ist sie aber so angetan, dass sie sich von Thorsten Börnsen, Leiter des Plattbüros an der Bernstorffstraße, im niederdeutschen Schnack unterrichten lässt.

"Du musst mit der Sprache arbeiten, ein junges Repertoire schaffen", sagt Colmorgen. Sie träumt etwa von einer plattdeutschen Revue auf Kampnagel. Letztlich steckt dahinter der Gedanke, Brauchtum und Popkultur zu verknüpfen. In anderen Ländern selbstverständlich, hierzulande korrumpiert durch "dieses riesige Nazi-Loch", wie Schrader es ausdrückt. Der Begriff Heimat ist für beide nicht negativ deutschtümelnd besetzt, obwohl sie ihn lieber durch ein Wort wie Herzenswärme ersetzen würden. "Es geht nicht um Stolz", sagt Meike Schrader. "Es geht um Verbundenheit."

Releasekonzert "Hamborg, mien Hoben" beim Musikquickie Di 12.3., 21.21, Feldstern (U Feldstr.), Sternstr. 2, Eintritt frei; Infos und Bestellung des Mini-Albums unter: www.labelship.com