Regisseur Klaus Lemke (“Rocker“) spricht im Vorfeld der Berlinale über schlechte Filme, gute Absichten und falsche Förderung.

Klaus Lemke ("Rocker") ist sowohl das Enfant terrible unter den deutschen Filmemachern als auch derjenige, der immer gern mal wieder die Branche gegen den Strich bürstet. Auch in diesem Jahr ist auf den 72 Jahre alten Rebellen wieder Verlass. Per SMS verschickte er ein Manifest, in dem er die Berlinale als "museal" bezeichnet und den "feudalistischen deutschen Förderwahn" anprangert. "Wir haben die schönsten Frauen, wir bauen die feinsten Autos, aber unsere Filme sind brav wie Grabsteine", schimpft er.

Hamburger Abendblatt: Herr Lemke, was läuft da falsch? Ist der Film nicht mehr das Leitmedium, das er einmal war?

Klaus Lemke: Wir sind immer noch in der Situation, dass der Staat bestimmt, welche Filme gemacht werden. Nach dem Krieg gab es eine Zeit, da blühte der deutsche Film. Dann kamen die Oberhausener, deren Filme wollte aber niemand sehen. Aber Alexander Kluge kam auf die Idee, dass die Steuerzahler die Filme finanzieren sollten: Kulturgut Film. Seitdem ist es aus. Auf den Filmhochschulen sind nur die Söhne und Töchter der Filmschaffenden, die eh ballaballa sind.

Sie trauen jungen Filmemachern nicht viel zu?

Lemke: Seit drei Generationen wandern die fast ohne Ausnahme ins Massengrab der allerbesten Absichten.

Was müsste man ändern?

Lemke: Das System über Nacht abschaffen. Wir wären in zwei Jahren das kreativste Filmland der Welt. Die Leute sind hier voreilig gehorsam. Wir sind vom internationalen Kino so abgehängt. Die Berlinale ist nichts weiter als ein Wurmfortsatz dieses staatlichen Eingriffs in den Film. Einem Amerikaner kann man nicht erklären, dass Steuerzahler Filme finanzieren und die Filmpreise auch noch. Niemand interessiert das. Aber weil es öffentlich-rechtlich ist und es um staatliche Gelder geht, wird es übertragen

Die Berlinale ist nicht nur ein Branchentreff, sondern auch ein gesellschaftliches Ereignis. Können Sie mit dem Glamourfaktor etwas anfangen?

Lemke: Die Berlinale hat keinen Glamour. Den hat vielleicht Festivalchef Dieter Kosslick, wenn er mit Richard Gere abends mal essen geht.

Sie haben geschrieben: "Hoffentlich verlöschen bald die letzten Berlinale-Grablichter, und wir tappen endlich wieder im Dunkeln umher." Was wäre in der Finsternis denn besser?

Lemke: Das wäre ein Neuanfang und besser, als in diesem Pseudo-Licht zu leben. Ich habe vor 20 Jahren aufgehört, mir vom Staat Geld für meine Filme geben zu lassen. Bis dahin habe ich das auch gemacht. Es war eine schöne Zeit, aber sie führte ins Nirwana. Die Szene ist gelähmt vom Einverständnis mit dem System. Die paar guten Filme wären auch ohne Förderung entstanden.