Harald Schmidt dreht keine Filme mehr, steht nicht mehr auf der Bühne, macht keine Werbung. Und dass nur wenige seine Show sehen? Egal.

Berlin. Die Tür öffnet sich und Harald Schmidt steht im perfekt geschnittenen dunkelblauen Anzug und einer Mischung aus Winter- und Wanderstiefeln in einer Suite des Berliner Hotels Adlon. Es entspinnt sich ein Gespräch über Kaffeewerbung. Der TV-Moderator warb einst für Nescafé. Sein Nachfolger hieß George Clooney. Dann geht es ohne weiteres Geplänkel los.

Hamburger Abendblatt: Herr Schmidt, sind wir zu doof für Late-Night-Shows?

Harald Schmidt: Nein, das glaube ich nicht. Es gibt eben nur eine kleine feine Klientel, die sich das anschaut.

Abendblatt: In den USA haben Late-Night-Shows ein Massenpublikum. Sie senden dagegen im Pay-TV-Getto. Und ob Stefan Raabs "TV total" Late Night ist ...

Schmidt: Raab ist keine Late Night. Raab ist eine Verkaufsplattform. In Amerika hat David Letterman ein Drei-Millionen-Publikum. Wenn Sie davon ausgehen, dass die USA 240 Millionen Einwohner haben, ist das in Relation auch nicht so viel mehr.

Abendblatt: Bei Sky haben Sie im Schnitt aber nur 80.000 Zuschauer pro Sendung und wenn es schlecht läuft nur 5000. Dabei haben Sie mal gesagt, Ruhm sei eine Ihrer wichtigsten Antriebsfedern.

Schmidt: Meine Ruhmsucht ist längst befriedigt. Außerdem habe ich an jedem Sendetag ein ausverkauftes Studio. Ich kann mir vorstellen, wie es ist, zehn Millionen Zuschauer zu haben. Aber das will ich mir nicht vorstellen, weil ich weiß, was das für eine Sendung wäre. Grauenhaft!

Abendblatt: Sie waren einst Moderator von "Verstehen Sie Spaß?"

Schmidt: Zum Beispiel. Heute habe ich traumhafte Bedingungen. Es kann mir egal sein, wie viele Zuschauer ich habe. Entscheidend ist, dass die Zahl der Abonnenten wächst. Also von meinem Ruhm kann ein Bedürftiger gern noch etwas abhaben. Mir reicht's.

Abendblatt: Werbeverträge haben Sie keine mehr.

Schmidt: Ich habe keine mehr angeboten bekommen. Das liegt daran, dass ich schon für alles geworben habe, was es gibt. Ein anderer Grund sind meine Forderungen. Die will keiner mehr erfüllen. Das, was mir noch angeboten wird, ist so im Steinbrück-Bereich.

Abendblatt: Warum stehen Sie nicht mehr auf der Bühne?

Schmidt: Ich habe meinen Ansprüchen nicht mehr genügt.

Abendblatt: Im Ernst?

Schmidt: Doch. Ich habe das dem Intendanten des Stuttgarter Staatstheaters genau so gesagt. Er entgegnete, kaum einer wird seinen Ansprüchen gerecht. Trotzdem machen alle weiter. Aber ich muss mir das nicht antun.

Abendblatt: Kann man Sie umstimmen? Der Dramatiker René Pollesch meint, Sie seien "ein autonomer Schauspieler", der "weiß, was er auf einer Bühne zu tun hat". Ihre "Skills", also Ihre handwerklichen Fähigkeiten, seien "genial".

Schmidt: Das gilt nur für Pollesch-Produktionen. Und wie oft habe ich Gelegenheit, da mitzumachen? Zudem fällt es mir immer schwerer, Texte auswendig zu lernen.

Abendblatt: Jetzt sind Sie kokett.

Schmidt: Nein. Gert Voss sagt mir auch, er lernt von 7 bis 10 Uhr morgens. Danach kriegt er nichts mehr rein. Außerdem fehlt mir die Routine des Texte-Lernens, weil ich seit Jahren frei quassele. Und es gibt wirklich so viele gute deutsche Schauspieler. Da muss ich nicht auch noch irgendwo rumstehen. Was Pollesch über mich sagt, ist sehr nett. Aber wenn ich diese Qualitäten in meiner Show zeige, haben alle mehr davon.

Abendblatt: Nicht alle können Sie sehen.

Schmidt: Theoretisch schon. Man muss sich nur ein Abo kaufen.

Abendblatt: Okay. Aber Sky macht es den Zuschauern nicht gerade leicht: Ab sofort ist Ihre Show komplett nur noch zu empfangen, wenn man ein Filmpaket bucht, dessen Zierschleife Sie quasi sind.

Schmidt: Das ist das Geschäftsmodell von Sky. Der Sender entscheidet, wie er die Show verwertet. An meiner Situation ändert das nichts: Ich fahre seit 18 Jahren ins Studio, und ich gehe da abends wieder raus. Der Rest ist virtuell. Als ich bei "Verstehen Sie Spaß?" über zehn Millionen Zuschauer hatte, da ging es vielleicht zwei Minuten schneller, bis mich an der Tanke einer ansprach und sagte, bei Kurt Felix waren die Filme besser.

Abendblatt: Haben Sie es als narzisstische Kränkung empfunden, als Sat.1 Ihnen den Stuhl vor die Tür gesetzt hat?

Schmidt: Sat.1 hat uns Modelle angeboten, wie es hätte weitergehen können. Eine Idee war ein Wechsel zu Kabel 1. Es gab auch den Vorschlag, die Show für weniger Geld weiterlaufen zu lassen. Aber für mich war es völlig okay, wie es gekommen ist. ProSiebenSat.1 ist eine börsennotierte Firma. Und für die ließ sich durch die Einstellung der Sendung ordentlich Geld sparen. Und als ProSiebenSat.1-Aktionär, der ich auch bin, habe ich meinen Rausschmiss begrüßt.

Abendblatt: In einer Ihrer letzten Sat.1-Shows wollte Klaas Heufer-Umlauf Ihnen ZDFneo schmackhaft machen. Sie winkten ab, woraufhin er entgegnete, der Aufwand, den Sie mit Ihrer Show trieben, sei nicht mehr zeitgemäß. Sie erwiderten, er ließe sich bei ZDFneo ausbeuten.

Schmidt: Mit Sicherheit hatte ich recht. Er hatte auch recht. Aber ob der Aufwand zeitgemäß ist, interessiert mich nicht. Ich will den Aufwand. Ich will eine Staatstheater-Situation. Wobei ich es besser habe als die Staatstheater, denn die müssen mittlerweile auch sparen. Wegen des Arbeitsrechts muss ich Leute fest anstellen, die ich nur zehn Minuten am Tag brauche. Ich finde das toll. Ohne die Zahlen von ZDFneo zu kennen, weiß ich, dass da kein Geld vorhanden ist. Man sagt den Leuten dort, ihr seid Avantgarde, ihr seid Kult. Der Sender denkt aber gar nicht daran, sie ins ZDF-Hauptprogramm zu bringen, was man bei jungen Leuten irgendwann mal machen muss. Heute ist es schlimmer als zu der Zeit, in der ich im Dritten Programm des WDR angefangen habe. Ich wusste, irgendwann komme ich ins Erste. Das war von Anfang an der Plan. Bei ZDFneo müssen die jungen Leute dagegen sich mit wenig Geld und nur einer Lampe Grimme-Preise ranmoderieren.

Abendblatt: Wer guckt Sie?

Schmidt: Es sind überwiegend alternde Männer, die leicht vom Leben enttäuscht sind und nicht rechtzeitig den Satz gelesen haben: Vor Frauen gibt es nur eine Rettung - Flucht. Insofern für den Fußballsender Sky ideal.

Abendblatt: Folgerichtig kommentieren Sie diesen Sonntag auf Sky das Spiel VfB Stuttgart-Bayern München.

Schmidt: Co-kommentieren. Nicht mal das. Ich sitze einfach dabei. Wie früher Karl-Heinz Rummenigge. Und nur für dieses eine Spiel. Ich werde mich eher zurückhalten. Entscheidend wird sein, wie viele VfB-Spieler ich erkenne. Bei den Bayern bin ich ziemlich fit.

Abendblatt: Für die ARD waren Sie bereits bei Olympia.

Schmidt: Ich wollte Olympia kennenlernen und auch nach Turin und Peking. Ich wollte aber auch in die Welt des Sportjournalismus. Das ist das nackte Paradies. Da sitzen vier Mann vor nagelneuen Laptops. Um elf sagt einer, ich glaube wir kriegen Anni Friesinger. Und um zwölf sagt er, nee, die ist schon bei Beckmann. Und zwischendurch gehen alle essen. In der Unterhaltung muss ich jeden Tag einen Brüderle-Witz haben. Und an ganz finsteren Tagen heißt die Pointe Reiner Calmund. Der Sportjournalist bekommt von unseren Gebühren Olympia, die EM und die WM gekauft. Er muss nur sagen: Mario Gomez, wie lief es denn? Das ist ein Traumjob.

Abendblatt: Wie lange wollen Sie Ihre Show noch machen?

Schmidt: Bis Sky sie einstellt. Der Sender ist meine letzte Station.

Abendblatt: Und wenn Sky im Sommer Ihren Vertrag nicht verlängert?

Schmidt: Werde ich wieder viel lesen.