Der US-Schauspieler über seine Rolle als alkoholkranker Flugkapitän in “Flight“, die ihm seinen dritten Oscar einbringen könnte.

Normalerweise finden Interviews mit Filmstars in Nobelhotels statt. Denzel Washington in einem Flugsimulator gegenüberzusitzen ist daher ganz schön ungewöhnlich, macht aber Sinn. In seinem neuen Film spielt er einen Flugkapitän. Diesem Whip Whitaker gelingt es mit einem fliegerischen Husarenstück einen Jet so notzulanden, dass trotz des defekten Höhenruders nur sechs Passagiere ums Leben kommen, 90 aber überleben. Die Öffentlichkeit sieht ihn als Helden, aber Whitaker kokst und hat ein Alkoholproblem, das er sich nicht eingesteht. Der Titel "Flight" bedeutet sinnigerweise sowohl Flug als auch Flucht. Für den 58-Jährigen, der schon so charismatische Charaktere wie Steven Biko oder Malcolm X gespielt hat, die willkommene Gelegenheit, seine schauspielerische Bandbreite zu zeigen und auch die dunkleren Seiten des menschlichen Wesens auszuloten. Washington ist mit dieser Rolle für den Oscar nominiert, den er bereits zweimal gewonnen hat. Regie führt "Forrest Gump"-Macher Robert Zemeckis, der als Pilot etwas von der Sache versteht.

Hamburger Abendblatt: Hatten Sie selbst schon extreme Erlebnisse an Bord von Flugzeugen?

Denzel Washington: Vor Jahren saß ich mal in einer Maschine, die beim Start von einem Blitz getroffen wurde. Wir waren damals während eines Sturms gestartet. Es gab einen gewaltigen Knall, alle sind aufgesprungen und haben geschrien. Aber das Fliegen ist wohl doch heute sehr viel sicherer geworden. Autofahren ist viel gefährlicher.

Wie viele Stunden haben Sie sich in solchen Simulatoren vorbereitet?

Washington: Ich weiß es nicht mehr genau, aber es waren sehr viele. Dieser hier ist übrigens leichter zu bedienen, es ist ein Airbus.

Aber Sie sind damit vorhin abgestürzt.

Washington: Die Landungen habe ich ja auch nie geübt, weil ich wusste, dass ich im Film abstürzen würde. Ich habe es gerade zum ersten Mal probiert. Dabei bin ich nüchtern. Vielleicht hätte ich vorher ein paar Bier trinken sollen.

Sie haben aufgrund der kritischen Problematik im Film sowohl eine fiktive Fluglinie als auch einen Flugzeugtyp erfunden. Sind Sie froh, dass Sie keinen Dreamliner genommen haben?

Washington: Ja. Die armen Kerle sind ja schon genug in Schwierigkeiten.

Hat die Flugindustrie kritisch auf den Film reagiert?

Washington: Mir persönlich gegenüber nicht. Es ist keine Attacke gegen Piloten oder Fluglinien. Es geht um einen Mann mit einem Problem. Er könnte auch ein Journalist sein. Der Drehbuchautor kennt sich in Suchtfragen aus, ist jetzt aber nüchtern - und hat Flugangst.

Was macht Ihnen Angst?

Washington: Große Höhen. Es ist keine richtige Angst. Mir wird immer ganz flau. Früher hatte ich das nicht. Vielleicht kommt es vom Filmemachen.

Oder vom Älterwerden.

(Eine junge Frau kommt und bringt Kaffee: "Sind Sie die Flugbegleiterin?", fragt er. Als er sieht, dass sie verschüchtert ist und keine Antwort weiß, entlässt er sie mit einem entschuldigenden Lachen. Der Mann hat Stil.)

Washington: Als wir diesen Film gedreht haben, wohnte ich im 30. Stockwerk eines Hotels. Das Zimmer hatte einen kleinen Balkon. Ich mochte das nicht, bin zwar trotzdem rausgegangen, hatte meinen Rücken aber immer schön an der Mauer. Ich mag es übrigens auch nicht, wenn Leute hinter mir stehen.

Keine Sorge, da steht niemand. Sie haben schon mit so vielen Regisseuren gearbeitet. Was macht Robert Zemeckis anders?

Washington: Es ist ganz leicht, mit ihm zu arbeiten. Ich vertraue ihm. Er ist ein guter Regisseur und ein netter Mann. Wenn man älter wird, will man am Drehort keine Spannungen mehr, keine Primadonnen, kein Herumgeschreie.

Das haben Sie schon erlebt?

Washington: Ja, aber mit denen arbeite ich nicht mehr.

Mit wem?

Washington: Ja, wie hießen sie noch?

Sie sind mit diesem Film schon zum sechsten Mal für den Oscar nominiert. Wird es langsam Routine?

Washington: Nein, denn ich bin schon zehn Jahre nicht mehr nominiert gewesen. Beim ersten Mal war ich noch sehr aufgeregt. Jetzt würde ich schon etwas anders Danke schön sagen.

Präsident Obama beginnt gerade seine zweite Amtszeit. Sind Sie ein Anhänger?

Washington: Ja.

Ein aktiver?

Washington: Ich bin hier, nicht bei der Amtseinführung. Er hat mich nicht angerufen, wenn ich mir das recht überlege. Aber wenn er es machen würde und ich etwas beitragen könnte, würde ich es tun. Sorgen Sie doch bitte dafür, dass er den Artikel bekommt. Ich denke, dann werde ich wieder von ihm hören.

Eine Kritik zum Film lesen Sie am Donnerstag, 24.1.2013 in LIVE.