Ganz Stimme, ganz Gefühl: Die Sopranistin bescherte gemeinsam mit dem Württembergischen Kammerorchester unvergessliche Momente in Hamburg.

Hamburg. Selten gibt es Konzerte, die so rundum perfekt sind, dass sich pures Glück im Saal verbreitet. Der Pro-Arte-Abend mit der Sopranistin Christine Schäfer und dem Württembergischen Kammerorchester unter Ruben Gazarian in der Laeiszhalle war einer dieser raren und kostbaren Momente. Ein grandioser Auftakt zu den baldigen Auftritten ihrer Kolleginnen Netrebko, Garanca und Prohaska am selben Ort - und eine sehr hoch gelegte Messlatte.

Christine Schäfer hat in diesem Spitzenquartett eher eine leisere Stimme, nobel und unprätentiös wie ihre elegante schwarze Robe, ihr Auftritt, ihre zurückhaltenden Bewegungen. Kein Event, keine Effekte - stattdessen ist sie, wenn sie singt, ganz Stimme, ganz Gefühl. Einfach da und vollkommen.

Zusammen kaum eine halbe Stunde dauern die drei Konzertarien von Mozart an diesem Abend, und doch durchmessen sie ein Universum an Emotionen. Jedes dieser Bravourstücke ist quasi eine Oper en miniature; immer jagt Mozart in kürzester Zeit die Sängerin durch alle Himmel und Höllen dessen, was die Liebe hergibt: höchstes Entzücken, größte Enttäuschung, lodernder Hass, innigstes Erinnern an glückliche Tage, Todessehnsucht.

Gleich zu Beginn wird das deutlich in "Ah, lo previdi" - fünf kurze Akkorde, und schon ist die Stimme voll gefordert: Andromeda hat eben erfahren, ihr geliebter Perseus sei getötet worden. Ein Sturm der Gefühle bricht los, der in eine Cavatina von so überirdischer Schönheit mündet, dass man den Atem anhalten möchte. Beim folgenden "Misera, dove son" ist eine Frau hin- und hergerissen zwischen ihrem Geliebten und der Loyalität zum Vater, der diese Liebe zerstören will. Und nach der Pause "Vorrei spiegarvi", wo in aller Würde ein Graf zurückgewiesen wird, der im Auftrag eines Freundes die Treue von dessen Verlobter testen sollte.

Das kann man singen. Christine Schäfer aber ist jede dieser drei Frauen, wenn sie ihnen ihre Stimme leiht. Und die hat viele Facetten: messerscharfe, glockenklare und traumwandlerisch treffsichere Extremhöhen, fahle und blasse Erschütterung, ein Pianissimo kurz vorm Versiegen des Luftstroms, explosive Rage - und immer singt sie so, als kämen die Töne und Worte genau in diesem Moment unmittelbar aus tiefem eigenen Erleben. Vielleicht ist das die Wurzel ihrer seltenen Fähigkeit, direkt die Seele ihrer Zuhörer zu erreichen.

Was ihre feine Stimme an Volumen nicht hergibt, besonders in der Tiefe, wird durch die schillernde Vielfalt ihrer Ausdrucksmöglichkeiten und Farben mehr als wettgemacht und durch allerklarsten Ausdruck - jedes Wort ist weithin verständlich.

Bemerkenswert aber auch die kluge Begleitung durch das Württembergische Kammerorchester unter seinem Chefdirigenten Ruben Gazarian. Hatte man in den ersten Takten von "Ah, lo previdi" für Sekunden noch die Befürchtung, das Orchester sei ein wenig zu dominant gegenüber der Singstimme, so pendelte sich das schnell ein, die Begleitung atmete mit der Sängerin, setzt harte Akzente, kostete die lyrischen Momente mit ihr gemeinsam aus. Ein Gesamterlebnis der Extraklasse.

Was man in der Vorfreude auf die Sängerin fast schon als Randprogramm sah, entpuppte sich als Interpretation, die frisch eigenes Standing behauptete: zwei Mozart-Sinfonien, KV 319 und die große g-Moll-Sinfonie KV 550.

Das Kammerorchester scheint wie für die Laeiszhalle geboren mit seinem wunderbar transparenten, fast intimen, dabei aber ungemein zupackenden Orchesterklang. Gazarian am Pult signalisiert überdeutlich, aber nie der Pose wegen, sondern im Dienst der Musik. Wie er lyrische Passagen herausstreichelt, bei wilden Durchführungen jeder einzelnen Stimme im Nacken sitzt, das erinnert an das gespannte Temperament eines Herbert von Karajan.

Mit der furiosen Zugabe des Schlusssatzes der Boccherini-Sinfonie "La Casa del Diavolo" endet ein Konzert, das lange nachklingt.