Die Hamburger Band Die Heiterkeit macht keine lustige Musik, sondern Rock. Nach einem kleinen Hype präsentiert das Trio jetzt sein Debüt.

Hamburg. Da ist diese Stimme von Stella Sommer. Anders als ihr Nachname vermuten lässt, klingt sie dunkel, entschleunigt, hübsch gelangweilt. Sie nimmt den Zuhörer mit dieser Stimme an die Hand und steigt eine schummrige Kellertreppe herunter. Hin zu den unausgeleuchteten Winkeln, in denen das Schöne umso geheimnisvoller scheint.

Wer Querverweise mag, darf an Christiane Rösinger denken. Oder an Nico. Aber das ist nicht zwingend nötig. Denn Sommer ist ein eigensinniges Geschöpf, das sich nicht in Referenzen betten muss, um sich wohlzufühlen. Wenn sie zu schroffen Gitarrenakkorden singt "Alles ist so neu und aufregend", dann ist klar, dass natürlich das Gegenteil gemeint ist. Und wer seine Band Die Heiterkeit nennt, aber als Logo einen Smiley mit geradem Strichmund auf Jutebeutel druckt, der zeigt: Dialektik, ja bitte. Aber lieber mondän als akademisch. Die Basis ist Rock.

Sommer traf ihre Bandkolleginnen - Bassistin Rabea Erradi und Schlagzeugerin Stefanie Hochmuth - im Hamburger Nachtleben, das sich um den Tresen der Mutter an der Stresemannstraße bewegt. Biertrinken in der Bar. Reden über Musik. Aber endlose Fachsimpeleien müssen es nicht sein. "Wir sind keine Mucker", sagt Sommer, während sie sich auf den rustikalen Holztisch in der Karoecke stützt. Und Erradi ergänzt: "Es ist nicht so spannend, über Effektgeräte zu diskutieren." Beide haben ihr langes Haar zum ausgeprägten Seitenscheitel gekämmt. So, als solle betont werden: Mittelmaß ist nicht. Das Trio trägt bevorzugt Schwarz. Sommermädchen sehen anders aus.

Noch bevor Die Heiterkeit Ende 2010 eine Vinyl-EP als ersten Vorgeschmack veröffentlichte, hatten die drei eine feine Aura der Aufmerksamkeit um sich gesponnen. Das Kneipengeflüster, es war zunächst größer als die Musik. Ein kleiner Hype, den es nun einzulösen (oder zu ignorieren) gilt. Am 18. Januar präsentieren sie ihr Debüt "Herz aus Gold" im Uebel & Gefährlich, wo Hochmuth als Bookerin arbeitet. Und dass da in einer Band ausschließlich Frauen musizieren, war bereits häufiger Thema. Der "Rolling Stone" etwa erklärt, Sommer, Erradi und Hochmuth eroberten "Boden auf vermeintlich männlichem Territorium: Rockmusik und Kneipe". Nun gut.

Die Frage ist, ob es stets sofort als emanzipatorischer Akt gewertet werden muss, wenn Frauen zu Instrumenten greifen und dann laut "Rolling Stone" auch noch Musik machen, die "sonst üblicherweise eher männliche Zuhörer hat". Gemeint sind US-Indierockbands alter Schule wie Pavement und Sonic Youth. Die Protagonistinnen selbst sehen die Gender-Sache wesentlich unaufgeregter. "Uns ist das eigentlich egal, aber wir werden halt immer wieder damit konfrontiert", sagt Sommer. Die Einladung zu einer Diskussionsrunde mit dem Titel "Die Frau in der Musik" wurde jedenfalls dankend abgelehnt. Sich vereinnahmen lassen, nein danke. "Klar ist das wichtig. Aber man leistet seinen Beitrag ja wohl oder übel einfach dadurch, dass man Musik macht. Wir haben aber keine Lust, bei Podiumsdiskussionen noch groß darauf rumzureiten, dass wir Frauen sind", erklärt die 24-Jährige lakonisch.

Im Gespräch sind die Musikerinnen keine Plaudertaschen. Nicht arrogant, sondern wesentlich. Was gesagt werden muss, wird gesagt. Mehr nicht. So wie auch in den Versen der Songs.

"Suche Feinde/biete Gegner" lautet einer der lyrischen Kernsätze. Auch in Liebesdingen ist Die Heiterkeit konsequent. Zwar erzählt Sommer in ihren Texten auch vom Annähern und Trennen, vom Erreichen und Einander-Reichen. Doch ungleich tradierter Rollenbilder, wie sie so manche Pop-Nummer oder romantische Komödie bedient, spricht da kein weibliches Ich, das auf männliche Erlösung hofft. Stattdessen sind die Lieder durchzogen von einem coolen Selbstverständnis. "Für den nächstbesten Dandy/werde ich Dich verlassen", singt Sommer. Oder auch: "Bin ich schon längst vergeben/wirst Du von meinen Geschichten leben."

Die Kunst, Beachtung auf sich zu ziehen, statt ihr hinterherzurennen, verdichtet sich in Refrainzeilen wie: "Alle Wege führen, alle Wege führen, alle Wege führen zu mir." Ein schlichtes, anti-euphorisch vorgetragenes Mantra. Und ein Prinzip, das auch umschreibt, wie sich die Band innerhalb der Branche verhält. Weniger ist mehr. Keine Demos verschicken, keine Ochsentour durch kleine Klubs, kein Gute-Laune-Zwang, kein Strebertum in Rock'n'Roll.

"Eigentlich wird erwartet, dass man sich anbiedert, dass man sich klein macht und alles mitnimmt. Aber dabei geht verloren, was so an Einstellung da ist", sagt Sommer. Als Band würden sie damit spielen, wie man Spannung erzeugt, erläutert sie. "Jede Woche einmal in Hamburg spielen, alle Freunde fühlen sich verpflichtet, sind aber schon total genervt, das wollten wir nie", erklärt Erradi. Dann doch lieber die Kneipenkontakte nutzen und die erste Platte beim Sublabel "Nein, Gelassenheit" der geschmackssicheren Berliner Plattenfirma Staatsakt veröffentlichen.

Der Albumtitel "Herz aus Gold" ist erneut ein Spiel mit Bedeutungsebenen. Bezug genommen wird da nicht nur auf Neil Young. "Es gibt auch eine DJ-Ötzi-Nummer, die so heißt", sagt Sommer. Und an dieser Stelle, da muss selbst sie lachen. Nahezu heiter.

Die Heiterkeit, Support: Fenster Fr 18.1., 19.00, Uebel & Gefährlich, Tickets: 12,80 im Vvk.