“Das weiße Band“ mit Ulrich Tukur wurde Sonntag Abend als beste Produktion ausgezeichnet. Der Darstellerpreis ging an Christoph Waltz.

Cannes. Goldene Palme für Michael Haneke: Sein deutscher Film "Das weiße Band" ist zum Abschluss des 62. Filmfestivals in Cannes gestern Abend mit dem Hauptpreis des Wettbewerbs ausgezeichnet worden. Es ist nach vielen Preisen in Cannes die erste Palme für den 67 Jahre alten Österreicher. Sein in Schwarz-Weiß gedrehtes Drama mit dem Untertitel "Eine deutsche Kindergeschichte", in Koproduktion mit dem Bayerischen Rundfunk (BR) entstanden, spielt in einem Dorf in Norddeutschland zur Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Als Hauptdarsteller dabei sind die Deutschen Ulrich Tukur, Susanne Lothar, Burghart Klaußner und Josef Bierbichler.

Haneke geht in dem Film den Ursachen von Terror und Gewalt auf den Grund. Bei der Preisverleihung bedankte er sich bei der Jury-Vorsitzenden Isabelle Huppert für das "enorme Geschenk". Seine Frau frage ihn bisweilen, ob er glücklich sei - "heute kann ich sagen, dass ich sehr glücklich bin!" BR-Fernsehdirektor Gerhard Fuchs gratulierte Haneke und dessen Teams zum Erfolg. "Wir waren schon stolz, dass der Bayerische Rundfunk mit ,Das weiße Band' in den Wettbewerb von Cannes eingeladen wurde. Dass wir nun sogar die Goldene Palme gewonnen haben, stimmt uns ausgesprochen froh."

Auch der Darstellerpreis ging an einen gebürtigen Österreicher, an Christoph Waltz für seine Leistung in dem Film "Inglourious Basterds" von US-Kultregisseur Quentin Tarantino. Waltz (52) ist bisher vor allem als Charakterdarsteller ("Roy Black") in deutschen Fernsehfilmen bekannt geworden. Er bedankte sich bei Tarantino: "Du hast mir meine Berufung zurückgegeben!"

"Inglourious Basterds" wurde unter anderem im Studio Babelsberg bei Potsdam gedreht. An der Seite von Waltz sind Brad Pitt, Diane Kruger, Daniel Brühl, Til Schweiger und Martin Wuttke zu sehen. Als beste weibliche Darstellerin freute sich die Französin Charlotte Gainsbourg über die Würdigung ihrer harten Rolle in "Antichrist" von Lars von Trier.

Der Große Preis der Jury ging an den Franzosen Jacques Audiard für das Gefängnisdrama "Un Prophète". Den Preis der Jury bekamen zu gleichen Teilen die Britin Andrea Arnold "Fish Tank" und der Südkoreaner Park Chan-wook ("Thirst"/Durst). Nach der Preisvergabe lief zum Abschluss des Festivals der französische Film "Coco Chanel und Igor Stravinsky" von Jan Kounen über die Beziehung zwischen der Modeschöpferin und dem Komponisten.

Insgesamt liefen in diesem Jahr in Cannes 20 Filme im Wettbewerb um die Goldene Palme. Viele von ihnen boten ausgiebige Darstellungen von Sex und Gewalt. Auf dem roten Teppich wurde etwas weniger Glamour zu Schau getragen, nur wenige Superstars zeigten sich den Fans.

Die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise war beim Festival an der Cote d'Azur deutlich zu spüren: Die Organisatoren veröffentlichten zwar keine Zahlen, aber Fachblätter schätzten, dass vor allem die Zahl der Branchenteilnehmer auf dem Internationalen Filmmarkt um mindestens ein Viertel gegenüber dem extrem gut besuchten Jahr 2008 gesunken sei. Bei Benefizveranstaltungen wie der Gala zur Unterstützung der amerikanischen Aids-Hilfe kam trotz der Anreise von Bill Clinton nur weniger als die Hälfte der Summe des vergangenen Jahres zusammen.

Vielleicht werden die 62. Festspiele ähnlich als Zäsur in die Geschichte eingehen wie das Cannes vor 50 Jahren. Damals hatte Truffauts "Sie küssten und sie schlugen ihn" Premiere und läutete die Ära des Autorenfilms ein, bei dem der Regisseur einen Film prägt und nicht ein Studio oder ein Star. Ein halbes Jahrhundert danach findet sich das Autorenkino gefährdet - von der Verdrängungswut der Blockbuster und einem immer ungeduldigeren Publikum.