Schuld und Sühne in Schweden: Drei neue Krimis um Henning Mankells Kommissar Kurt Wallander sind vom heutigen Freitag an im Ersten zu sehen.

Kaum einer hätte ein wenig Ruhe mehr verdient als Kurt Wallander. Der Kommissar aus dem südschwedischen Ystad hat sich in all den Dienstjahren die Seele wund geschuftet, nun endlich wäre die Zeit gekommen, sich im neuen Haus mit der Lebensgefährtin ein Glas Rotwein am Kamin zu gönnen. Die Zügel mal locker lassen und auf ein bisschen inneren Frieden mit Blick auf die Natur anzustoßen. Aber es soll halt nicht sein. Die Umzugskartons stehen noch unangetastet im Flur, da buddelt der Familienhund unter den Johannisbeersträuchern ein menschliches Skelett aus. Und Wallander, der unfreiwillige Workaholic, ist mittendrin in einem neuen Fall. "Ich dachte, du wolltest keine Arbeit mehr mit nach Hause nehmen", frotzeln die Kollegen.

"Ein Mord im Herbst" ist die erste von insgesamt drei Neuverfilmungen um Henning Mankells Kommissar, den selbst jene Leser kennen, die sonst mit Krimis nicht viel am Hut haben. Wallander ist der Inbegriff des schwedischen Vollblutpolizisten, der nicht einfach nur irgendeinen Mord aufklärt, sondern soziale Risse in der Gesellschaft aufdeckt. Mankell interessiert nur zweitrangig, wie das Messer in den Bauch des Opfers gelangt ist, er will wissen, wann die Dinge angefangen haben, aus dem Ruder zu laufen. Meistens liegt der Auslöser allen Übels im Schoß der Familie.

Auch die neuen Fälle kreisen konsequent um Rache und Vergebung, Eltern, die versagt haben, und Kinder, die lebensunfähig sind. Der erste dieser Schuld-und-Sühne-Krimis beginnt mit dem Sturz einer jungen Frau in die winterkalte Ostsee. Außer einem traurigen Trinker will niemand sie auf der aus Polen kommenden Fähre gesehen haben, ein Eintrag in die Passagierlisten fehlt. Ist sie gesprungen, hat man sie gestoßen? Fest steht nur, dass sie schwanger war. Und dass ihr Tod auf vertrackte Weise mit dem Leichenfund in Wallanders Garten zusammenhängt.

Die Stimmung in den Filmen ist gewohnt nasskalt. Herbstnebelbilder. Das konsequente Gegenteil zum bebilderten Bewerbungsschreiben für Ferien in Bullerbü-Schweden. Der Himmel ist endlos weit, der Mensch verliert sich leicht in dieser Landschaft, die nicht gemacht ist für jene, deren innere Balance leicht aus dem Gleichgewicht gerät. Angesichts dieser Umgebung und der Berufswahl verwundert es nicht sonderlich, dass der eigenbrötlerische Kurt Wallander so sehr mit dem Dasein hadert. Die Welt als solche ist schlecht, das ist sein Mantra, seine Attitüde und nicht zuletzt sein Antrieb.

Nach Rolf Lassgard und Krister Henriksson ist der britische Schauspieler Kenneth Branagh bereits die dritte Wallander-Besetzung. Man tritt seinen Vorgängern nicht zu nahe, wenn man behauptet: Er ist die beste. Weniger beamteneifrig als Henriksson, nicht so staatstragend wie der Hüne Lassgard spielt Branagh, der schon Hamlet und Harry Potters Zauberlehrer war, Wallander mit zurückhaltender Mimik, ganz und gar unaufdringlich. Sein Kommissar ist kein Gescheiterter, sondern ein Durchschnittskerl mit emotionalen Defiziten.

"Ich bin im Grunde doch ein ganz fröhlicher Mensch", sagt er einmal zu seiner Kollegin, die grinst, als habe er einen besonders guten Witz gemacht. Sekunden später wird sie zusammengeschlagen. Ihre Verletzungen sind so schwer, dass sie ins Koma fällt. Und Wallander, der an ihrem Bett wacht und sich in bohrenden Schuldgefühlen windet, ist um ein weiteres Trauma seiner Karriere reicher. Es gehört zur Tragik seines Lebens, dass er - das zeigt "Ein Mord im Herbst" besonders deutlich - von Berufswegen an dem scheitert, wonach er sich am allermeisten sehnt: ein Familienleben, ein Stück Normalität.

Zwischendurch zu Hause anrufen, die Arbeit liegen lassen, wenn das Essen auf dem Tisch steht und abends vom Tag erzählen, das ist nicht Wallanders Welt. Aber was sollte er auch sagen? "Schatz, heute wäre meine Kollegin um ein Haar gestorben, ich habe ihren blutenden Kopf gehalten."

Wer innerhalb einer Woche drei junge Frauen hat sterben sehen, der kann schon mal an der Welt verzweifeln. "Man kann, was ich tue, nicht tun, ohne so zu werden", sagt er zu seiner Lebensgefährtin. Mit so einem Satz rettet man vielleicht nicht seine Beziehung, aber man weiß immerhin, wer man ist. Darin liegt zumindest ein kleiner Trost.

"Kommissar Wallander - Ein Mord im Herbst", heute, 21.45 Uhr, ARD.

"Hunde von Riga", Sonntag, 30. Dezember, "Vor dem Frost", Sonntag, 6. Januar, jeweils 21.45 Uhr