Sehr tröstlich: Der ZDF-Film “Obendrüber da schneit es“ zeigt, dass Heiligabend nicht immer alles nach Plan laufen muss.

Man schaltet nicht unbedingt den Fernseher ein, um exakt die Dinge gezeigt zu bekommen, die einem schon im wirklichen Leben den letzten Nerv rauben. In diesem vorweihnachtlichen Fall wären dies: Gänsebratenrezepte und Minustemperaturen, Rippenstöße auf dem Weihnachtsmarkt, "Süßer die Glocken nie klingen" und "Frosty the Snowman" in Endlosschleife. Andererseits kann es tröstend sein, einen Film zu sehen, der davon erzählt, dass viele Menschen an den Feiertagen Kleinmädchenvorstellungen, Hochleistungssport am Herd und Gemeinheiten des Lebens unter einen Hut zu verbringen versuchen.

"Obendrüber da schneit es" von Regisseurin Vivian Naefe nimmt seinen Lauf am Vorweihnachtsabend. Mit knappen Strichen zeichnet das Buch von Astrid Ruppert das Schicksal von Menschen in einem Münchner Mietshaus, die außer der räumlichen Nähe das Gefühl eint, das nichts läuft wie es laufen sollte. Es fehlt die Weihnachtsgans oder der getrennt lebende Vater. Der Engel passt nicht zum Baum und der Baum nicht zur Wohnungsdecke. Das Weihnachtsmotiv wird in allen Varianten durchdekliniert, mal mehr, mal weniger originell, verletzte Gefühle, stummes Sehnen, verkorkste Ehe, aber letztlich schlagen alle Geschichten in die gleiche Kerbe: Heiligabend ist jeder auf der Suche nach Liebe. Irgendwo zwischen TV-Rührseligkeit und warmer Sentimentalität pendelt sich dieser Film ein, der im Grunde ein einziger Schmachtfetzen ist - aber wann, wenn nicht in der Vorweihnachtszeit, ist dies ausdrücklich erlaubt?

Die junge Mutter ("Doctor's Diary"-Entdeckung Diana Amft) macht gute Miene zum zermürbenden Patchworkspiel, bis ihr Ex-Mann verkündet, Weihnachten mit der neuen Flamme auf den Malediven zu verbringen. Der Nachwuchspfarrer (Wotan Wilke Möhring als sanfter Romantiker) soll die erste Christmette seines Lebens halten, prellt sich aber kurz zuvor das Steißbein. Die Nachbarin stürzt über Ente à l'orange in die Midlife-Crisis. "Ich habe nix gemacht aus meinem Leben. Außer Zimtsterne backen", sagt sie - und kaum jemand könnte das hübscher spielen als Gisela Schneeberger, der es gelingt, mit wachsendem Hysteriegrad immer liebenswerter zu werden. Irgendwann - man kann die Kräfte, die in dieser Geschichte walten, Schicksal oder Zufall nennen - versammeln sich alle Hausbewohner in einer Wohnung, trinken Kinderpunsch und Hochprozentiges, und vergessen kurz mal das Chaos in den eigenen vier Wänden, die schmutzige Küche, den zerbrochenen Christbaumengel, die mühsam die Treppe hoch gehievte Nordmanntanne, die nur der Auftakt zum nächsten Streit war. "Weihnachten ist eine optische Täuschung", sagt Gisela Schneeberger und stopft sich ein Plätzchen in Mund, bevor sie aufsteht und tanzt. Viel mehr passiert nicht in "Obendrüber da schneit es", der davon erzählt, dass vor allem Weihnachten, das Fest des Pläneschmiedens, oft eben nicht nach Plan läuft. Und dass man trotzdem feiern kann, wenn man Abschied genommen hat von der Vorstellung, dass alles perfekt und pünktlich zu sein hat.

Klar, dass der Film von Vivian Naefe nicht mit Musik spart. Die Mischung aus "Stille Nacht" und Coldplay fühlt sich zwar an wie Sekt auf Plätzchen auf Schweinebraten gefolgt von Mousse au Chocolat, aber hey: Auch das ist Weihnachten. Die gute Nachricht ist, dass man sich dieser Geschichte trotzdem nicht entziehen kann, die unter der dicken Puderzuckerschicht natürlich einen tieferen Sinn hat. Und wer gerade zum Ende des Jahres zur Sentimentalität neigt, ist in diesem Heuler hoffnungslos verloren. Es geht um Hoffnung und Verlust, Gehenlassen und Verzeihen, wobei die Hausgemeinschaft in puncto weihnachtlicher Dysfunktionalität wohl stellvertretend für Durchnittsdeutschland steht. "Obendrüber da schneit es" erzählt davon, dass auch ein ungewöhnliches Weihnachten ein gelungenes Fest sein kann - es kommt nur auf die Perspektive an. Ein ziemlich tröstlicher Gedanke.

"Obendrüber da schneit es" heute, 20.15 Uhr, ZDF