Die ZDF-Produktion “Die kleine Lady“ mit Christiane Hörbiger ist ein überzuckertes Remake des Klassikers “Der kleine Lord“.

Gott sei Dank ist Weihnachten. Da könnten wir ja mal milde sein, an das Unmögliche glauben und dass das Leben schön ist. Da nehmen wir Muttis Kekse und fressen uns Sonntagsnachmittags das Fernsehprogramm schön. Filme, die man nur im Advent ertragen kann, im Lebkuchen-Koma.

Es sind zum Glück wenige. Die Märchenverfilmerei in Deutschland hat inzwischen ein höchst erstaunliches Niveau erreicht. Und auch dass zwischen den Jahren nun endlich im freien deutschen Fernsehen die britische Adelsserie "Downton Abbey" zu sehen ist, gibt jedem GEZahler einen Teil des Glaubens zurück, mit dem schönen Gebührengeld würde tatsächlich sinnvoll umgegangen.

Wer diesen Glauben allerdings nicht vollends verlieren und weiter weihnachtsmilde bleiben möchte, sollte am Sonntagnachmittag einen weiten Bogen um seinen Bildschirm machen, Kekse backen, Dickens lesen oder in der nächstgelegenen Kirche ein, zwei Kerzen aufstellen in der Hoffnung, dass das ZDF nicht noch auf ganz andere Gedanken kommt, als auf dass, was um 20.15 Uhr läuft. Da ist dann wieder Lebkuchen-Komazeit. Da läuft Gernot Rolls Versuch, Frances Hodgson Burnetts Kinderbuchklassiker "Der kleine Lord", dessen Verfilmung mit Alec Guinness zu Weihnachten gehört wie "Dinner for One" zu Silvester, einer Geschlechtsumwandlung zu unterziehen.

Einer Geschlechtsumwandlung? Genau. Lustig. Mit Christiane Hörbiger als Alec Guinness. Weil die Geschichte von Cedric Errol, dem nach Amerika versprengten britischen Earlenkel, so schön und rührend ist und herzensgut und so süß wie Tee mit drei Stück Zucker, folgt "Die kleine Lady" blindlinks den allzu großen Spuren des Little Lord Fauntleroy. Mit dem Unterschied, dass es die kleine deutsche Neuadlige - in der durchaus richtigen Annahme, dass niemand dem ZDF Britshness glauben würde - von New Yorks Lower East Side anno 1886 (im Jahr, als der Originalroman erschien) ins niederösterreichische Schloss Grafenegg verschlägt, das noch größer aussieht als Belvoir Castle, der Landsitz in Leicestershire, in dem weiland der hartherzige und hartgesichtige Earl von Dorincourt vom weizenblonden Cedric zu einem guten Menschen umerzogen wurde.

Gernot Rolls Crossdresserei hätte, wäre man jetzt sehr pusselig, deswegen auch gar nicht "Die kleine Lady" heißen dürfen, sondern "Die kleine Comtess". Aber wir wollen ja nicht kleinlich sein. Es gibt wirklich Schlimmeres. Veronica Ferres zum Beispiel. Aber zu der kommen wir später.

Zunächst gewitterts mal über dem Park der Gräfin von Liebenfels zu Arlingen, die am Fenster ihres Schlosses steht, eine dünnlippige Schreckschraube mit geschreckschraubten Locken auf dem Kopf.

Es gewittert, damit wir wissen, dass etwas Furchtbares geschehen ist, und gleich merken, dass es im Folgenden eher untersubtil zugeht. Der Gräfin letzter Sohn ist tot. Jetzt muss "das vermaledeite Kind" her, weil es sonst ein Ende hätte mit der Dynastie. Emily Ernest (Philippa Schöne) heißt das vermaledeite Kind. Emily macht die Straßen Manhattans unsicher, genauso wie der nette Regieanweiser es mit ihr geübt hat, sie sieht aus, wie im deutschen Kinderfernsehen halt adlige Mädchen aussehen, und Emily ist nicht nur Amerikanerin, weswegen sie ständig Grandma sagen muss und betonen, dass sie Oma happy machen will, sie ist auch noch eine dreikäsehohe Suffragette.

Woran die von Veronica Ferres gespielte beste Freundin der zukünftigen Comtess genauso schuld ist, wie an der Tatsache, dass man geneigt ist, alle verfügbaren Lebkuchen schon gleich am Anfang in sich hineinzustopfen, um möglichst schnell ins Koma zu fallen. Veronica Ferres trägt nicht nur schwer am Namen Dolores Hobbes, sondern auch daran, dass sie rote Haare trägt, fürs Wahlrecht der Frauen kämpft, gegen die fiese Aristroka..., die fiese Akristo..., na, gegen den Adel kämpft, Boxerin war und Opernsängerin sein muss. Was man ihr alles nicht glaubt.

Es wird dann noch vergiftet. Es wird geliebt. Alle, bis auf die fiese Intrigantin natürlich, werden glücklich. So leben sie denn hin und tanzen, die inzwischen ganz herzweich gekochte Gräfin und ihr zauberhaftes Enkelkind, einer grenzdebiler grinsend als der andere. Dann singt Veronica Ferres die Königin der Nacht, in der Mezzoversion. Da spätestens hat man dann genug von diesem vom gezuckerten Tee zum Bubbletee hochgesüßten Kram.

Weswegen wir an dieser Stelle auch aufhören und dringend zum parallel laufenden "Tatort" raten.

Wir hätten da allerdings noch einen Vorschlag: Wär es nach diesem durchschlagenden Erfolg nicht auch lustig, "Dinner for One" umzuoperieren. Mit Katharina Thalbach als Freddy Frimpton und Ulrich Noethen als Miss Sophie. Am Tisch lauter alte Emanzen aus Noethens alter Kommune. Fragt sich nur, was wir mit dem Tiger machen. Well, we'll do our very best.

"Die kleine Lady" So 16.12., ZDF, 20.15 Uhr