In den Harburger Phoenix-Hallen von Harald Falckenberg präsentiert der Berliner Axel Haubrok seine sperrige Kunstsammlung.

Hamburg. Wenige Hinterlassenschaften aus der alten Welt sind noch da: Ein Konzertflügel mit Samowar, ein vergilbtes Foto vom Albrecht-Dürer-Haus in Nürnberg und die ruhigen Wellen von Bachs Goldberg-Variationen. Alles andere ist radikal modern und eindeutig im 20., mehr noch im 21. Jahrhundert zu Hause, wo man daran gewöhnt ist, die Klassische Moderne zu dekonstruieren oder neu zu sampeln und sich lieber in der Sphäre der Gedanken zu tummeln, als mit schnödem Handwerk zu verzetteln.

In dieser Welt fühlt sich der Berliner Kunstsammler Axel Haubrok pudelwohl. Sie ist sein Zuhause, im wahrsten Sinne des Wortes, denn einige der rund 100 Exponate, die er bis zum 24. Februar 2013 in Harburg bei Harald Falckenberg ausstellt, haben zuvor bei ihm im Wohnzimmer gehangen. Dieses Wohnzimmer muss ziemlich geräumig sein, trotzdem "war meine Frau erst mal sauer, als ich ihr die drei Bilder von Wade Guyton und Kelley Walker geklaut habe", erzählt er freimütig. Hier in Hamburg wollte er "keinen Querschnitt aus der Sammlung zeigen, sondern eine bewusst puristische Auswahl." Der wuchtigen Industrie-Architektur will Haubrok als sein eigener Kurator etwas Konzentriertes entgegensetzen. Die Lust an der Kunst, "die liegt in den Genen", sagt Haubrok. "Mein Vater hat Fotoapparate gesammelt, und auch mein Sohn ist in die Arbeit mit der Sammlung involviert - ich glaub, wir haben alle das Sammler-Gen."

Fast so alt wie er selbst ist sein Interesse für die Kunst, "ich hab immer gezeichnet und fotografiert, und seit den späten 60er-Jahren bin ich zu jeder Documenta gefahren." Trotzdem ist der Westfale, der fast sein gesamtes Berufsleben in Düsseldorf verbracht hat, kein Künstler geworden, sondern ein sehr erfolgreicher Unternehmensberater im Bereich Finanzkommunikation. 61 Jahre ist er alt, und die Kunst nimmt immer mehr Raum in seinem Leben ein, das er mit seiner Frau Barbara teilt, die ebenfalls vom Sammel-Virus infiziert ist. "Ich verdien doch bloß Geld, damit ich Kunst kaufen kann" - fast klingt das wie eine Verteidigung, denn der Welt des Geldes will er sich nicht zurechnen. Zwischen 700 und 800 Arbeiten haben die Haubroks mittlerweile in Besitz, verkauft wird nur in Ausnahmefällen, denn man solle zu dem stehen, was man früher mal gut gefunden habe.

Wer an diesem Freitag zur Eröffnung die Phoenix-Hallen betritt, merkt sofort, dass er hier nicht mit leicht konsumierbarer Stangenware versorgt wird und auch nicht mit den üblichen Verdächtigen der Museumskollektionen. Dieser Sammler mag es sperrig, "mich interessieren die Ränder der Kunst." Ohne Erklärung fühlt sich hier jeder normale Mensch, der nicht zum "inner circle" gehört, total verloren. Das weiß Axel Haubrok und hebt listig die Augenbrauen: "Ich ecke schon an. Und ich weiß auch, dass das hier elitär ist. Das will ich gar nicht leugnen."

In Berlin, wo er und seine Frau am Strausberger Platz einen Projektraum namens haubrokshows eröffnet haben, steht er gern Rede und Antwort: "Ich finde es interessant, den Leuten etwas zu erklären, Begeisterung zu wecken." Dann setzt er sich aus und erklärt etwas, wovon ihn selbst eines schönen Tages der Künstler Günther Förg überzeugt hat: "Er hat mir die Augen geöffnet für die Geschichten hinter den Kunstwerken. Die fand ich viel spannender als die Frage, ob etwas schön sei oder nicht."

Isolierte Einzelwerke leistet Haubrok sich immer mal, doch einige große Linien lassen sich schon in seiner Sammlung erkennen, zum Beispiel seine Vorliebe für die neudadaistischen Späße von Heimo Zobernig oder für philosophische Arbeiten mit Licht: Olafur Eliasson lässt einen Lichtkegel das Treppenhaus der Phoenix-Hallen abtasten, der die Besucher irritiert, Martin Boyce hat drei gekreuzte Leuchtstoffröhren wie Wegweiser an Ketten aufgehängt, und unmerklich ändern sie die Richtung - andere Werke, wie das von Cerith Wyn Evans zu einem Adorno-Essay thematisieren letztlich Sein und Vergänglichkeit. Auch seine "gewisse Sensibilität für Ungerechtigkeit" spiegelt sich in den Werken, die Haubrok für Harburg ausgewählt hat, allen voran die Arbeiten des schwarzen Künstlers Rodney McMillian, der die schmerzliche Tatsache alltäglichen Rassismus in den USA entlang der Farben Schwarz und Weiß verbildlicht. Früher, da habe er auch Malerei gesammelt, aber das sei vorbei, erzählt Haubrok. Im Reich der Gedanken, im Reich der radikalen Abstraktion, wo selbst die Ikonen der Moderne wie Malewitschs Schwarzes Quadrat hinterfragt und dekonstruiert werden, da fühlt er sich am wohlsten, das macht ihm sichtlich gute Laune.

Für den Lustgewinn, den ihm diese Art von Kunst verschafft, lässt er sich auf manch riskantes Abenteuer ein, eines bewegt sich zwischen Vertrauensvorschuss und Produktivitätszwang: Zehn Jahre lang zahlt er dem Künstler Jonathan Monk jährlich 10 000 Euro. Im Austausch erhält er jedes Jahr ein Werk von ihm. Ein paarmal, das gibt der Sammler zu, da laufen solche Sachen auch aus dem Ruder: Die Künstlerin Paola Pivi habe "eine Riesenarbeit geplant: Sie wollte ihre Heimatinsel abfotografieren und dann in Originalgröße wieder zusammensetzen, fünf Kilometer lang und 80 Meter breit. Das Ziel wird sie wohl nicht erreichen" - so tolerant kann man Scheitern umschreiben. Haubrok ficht das nicht an, Scheitern gehört für ihn zum Prozess.

Die konsequenteste Arbeit aber, die hat er auch nach Hamburg gebracht: "The Lights off" kann als ein Höchstmaß an Verweigerung gelesen werden, aber auch als philosophische Essenz. Dem lärmenden, sich ständig übertrumpfenden Kunstbetrieb setzt Martin Creed das Nichts entgegen: Hier, in einem vollkommen leeren, dunklen Raum ist der Mensch zurückgeworfen auf sich selbst. Auf das pure Sein. In die Welt der Gedanken.

Sammlung Haubrock in der Sammlung Falckenberg Wilstorfer Straße 71, Hamburg-Harburg, Besuch nach Anmeldung unter T. 32 50 67 62