Die Hardrock-Veteranen Deep Purple gaben ein im Wortsinn klassisches Konzert - natürlich mit dem einen Hit, den sie immer spielen müssen.

Hamburg. Wenn das kein glücklicher Zufall ist: Am Abend vor dem Deep-Purple-Konzert in der O2 World zeigt RTL "Die ultimative Chartshow der erfolgreichsten Rockhymnen". Da sind wir natürlich gespannt, wo Deep Purple mit "Smoke On The Water" landen wird. Aber als Purples Zeitgenossen wie Black Sabbath ("Paranoid"), Creedence Clearwater Revival ("Proud Mary") und KISS ("I Was Made For Loving You") durch sind und auch der Sieger Pink Floyd ("Another Brick In The Wall") von Moderator Oliver Geissen und diversen Konsonantenpromis gewürdigt wird, steht fest: kein "Smoke On The Water", dafür "Rockhymnen" wie "With Or Without You" von U2 und "How You Remind Me" von Nickelback.

Vielleicht liegt es am Wertungssystem, wo der schlappe Platz des britischen Rockklassikers in den deutschen Singlecharts von 1973 (Platz 20) nicht viel Wirbel macht. Auf der CD zur Sendung ist er natürlich trotzdem dabei, der Hit mit den simplen wie prägnanten Akkorden und der wahren Geschichte des brennenden Kasinos in Montreux, am Ufer des Genfer Sees. Rauch auf dem Wasser, Feuer in der Luft.

Genau darauf warten viele der 6000 Besucher am Sonnabend. Es ist das von den Stones hergeleitete "Satisfaction"-Prinzip (übrigens Platz 2 in der Chartshow), das Konzertgäste beschreibt, die nur den einen Hit ersehnen. Dabei hat Deep Purple noch reichlich mehr Songs mit Zunder, das zeigt sich schon beim Auftakt mit "Fireball", der sich durch den durchschnittlichen Arenasound brennt und beweist, dass Sänger Ian Gillan, Gitarrist Steve Morse, Bassist Roger Glover, Trommler Ian Paice und Keyboarder Don Airey auch mit 58 bis 67 Jahren nicht zum Alteisen gehören, Patina hin, Bäuchlein her.

Da das letzte Album "Rapture Of The Deep" schon sieben Jahre her ist und der Nachfolger laut Videoeinspieler noch in Arbeit, können sich die Herren Rocker auf Altbewährtes verlassen: "Strange Kind Of Woman" aus dem Jahr 1971, "The Battle Rages On" von Anno 1993 oder "Lazy" vom besten Purple-Album "Machine Head" (1972). Somit passt das Tourmotto "The Songs That Built Rock" sehr gut, es sind Lieder, die sowohl Hardrock als auch Progressive Rock entscheidend mitgeprägt haben.

Das sehen auch die jubelnden Fans so, die sich nicht auf mitgereifte Endfünfziger beschränken, die "Fireball" oder "Shades Of Deep Purple" noch als Vinyl-LP im Schrank stehen haben. Auch viele junge Metalheads sind gekommen, um mal einen zweistündigen Blick auf alte Meister zu werfen.

Und wie das mit alten Meistern so ist, wollen die natürlich auch ihr Können zeigen. Schon immer waren Deep Purples Konzerte von Alleingängen und Zweikämpfen, von ausufernden Solos in und zwischen den Liedern und Duellen untereinander begleitet, gerade als noch Ritchie Blackmore und der im Juli gestorbene Jon Lord an Gitarre und Orgel zauberten. Die legendäre Live-Platte "Made In Japan" von 1972 wurde so zum Doppelalbum aufgeblasen, obwohl nur sieben Titel in 76 Minuten gespielt wurden. Alleine "Space Truckin'" donnerte nicht enden wollend bis an die 20-Minuten-Grenze.

So lange wird "Space Truckin'" am Sonnabend zwar nicht gespielt, trotzdem bekommen Steve Morse, Ian Paice, Don Airey und Roger Glover viel Platz zum Herumhetzen auf Griffbrettern, Fellen und Tastaturen. Das erfreut sicher viele Musiker und "Gitarre & Bass"-Leser im Publikum, andere nutzen die Zeit für ein Getränk oder zum Durchdeklinieren der acht verschiedenen Bandbesetzungen. Der Kollege auf dem Nachbarplatz macht beim Orgelsolo ein Nickerchen.

Ja, die aktuellen Retro-Rockbands wie Wolfmother, Rival Sons oder - Geheimtipp aus Berlin - Kadavar wissen schon, warum sie zwar den Sound von Deep Purple kopieren, aber nicht die Solo-Eskapaden. Es geht doch einiges an Dynamik verloren. Aber immerhin kann Ian Gillan so oft neue Luft holen, denn zwischendurch sieht er doch sehr angestrengt aus, macht seine Sache insgesamt aber gut.

Dann kommt er endlich. Der Hit. Bei "Smoke On The Water" brennt erwartungsgemäß die Luft, Luftgitarren-Virtuosen stürmen auf die Treppen, und 6000 Kehlen schmettern den Refrain. Und erwartungsgemäß greifen im Anschluss doch einige Besucher zu den Jacken, so sicher sind sie, für 60 Euro und mehr schon alles gesehen zu haben. Dabei kommen noch einige Zugaben. "Speed King" mit eingebauten Zitaten von Ray Charles bis Roy Orbison, "Hush", natürlich noch ein Solo von Roger Glover und "Black Night", vielleicht der wahre Klassiker der Band neben "Child In Time". Das wird aber seit zehn Jahren nicht mehr gespielt, Ian Gillans Stimmbänder würden bei diesem Überheuler wohl reißen wie Kreppband. Aber auch ohne "Child In Time" sind es zwei Stunden, so wuchtig wie die Köpfe 1970 auf der Plattenhülle von "Deep Purple In Rock": etwas angestaubt, aber solide. Wie in Stein gemeißelt.