Die Hamburger Regisseurin Katja Esson ist mit ihren Dokumentarfilmen Natur und Menschen auf der Spur und seit Jahren weltweit erfolgreich.

Hamburg. Das Metropolis war im September beim vergangenen Filmfest Hamburg ausverkauft, als Katja Esson ihr neues Werk präsentierte. "Poetry of Resilience" ist ein Dokumentarfilm über Menschen, die traumatische Erlebnisse verarbeiten, indem sie Gedichte schreiben, ein gelungener Beitrag zur kathartischen Wirkung von Poesie. Zugleich war es ein Heimspiel für die Regisseurin, die in New York lebt, aber in Hamburg aufgewachsen ist und deshalb nach der Diskussion mit einigen ihrer Protagonisten und deren Verwandten auch viele Freunde und eigene Familienmitglieder begrüßen konnte.

Katja Esson kommt in das Café am Stephansplatz hineingeweht und bestellt erst einmal ein Heißgetränk. Sie ist für einige Tage zurück in ihrer ehemaligen Heimatstadt, macht hier die Postproduktion ihres neuen Projekts, einer fünfteiligen Reihe von TV-Filmen, in denen sie geschichtsträchtige US-amerikanische "backroads" vorstellt unter dem Titel "Amerikas legendäre Straßen". Sie wird im Februar auf Arte zu sehen sein. "Ausgerechnet", flachst sie. "Mein Geschichtsunterricht in der Schule war eine Katastrophe."

Aber natürlich freut sie sich auch darüber, bei ihrem Besuch ihre Eltern und ihre Schwester zu besuchen, die zwei kleine Kinder hat.

Zu sagen, Esson sei temperamentvoll, wäre eine glatte Untertreibung. Sie redet gern und viel und schnell. Aufgewachsen ist sie in Poppenbüttel und hieß damals noch Kümmerle, ihr Vater ist ein Exil-Schwabe. Nach dem Abitur hat sie in Miami Film und Theater studiert und wollte eigentlich anschließend in Hamburg als Regieassistentin anfangen, um später Spielfilme zu inszenieren.

Aber sie hatte nicht die notwendigen Kontakte, biss hier gleich bei zwei Rückkehrversuchen auf Granit und wurde jeweils "nur" Scriptgirl bei einigen Folgen der Krimiserie "Peter Strohm" mit Klaus Löwitsch. Regieassistenten wurden damals eher die Freundinnen der Kameraleute. Das war ihr zu wenig. Deshalb ging sie wieder in die USA, diesmal nach New York. Sie wollte Dokumentarfilme drehen und landete in Brooklyn. Ausgerechnet, denn dort herrscht die "größte Konzentration von Dokumentarfilmern in der Welt", glaubt die Filmemacherin. "Der Anfang war schwer", erinnert sie sich. "Aber plötzlich habe ich in New York überall Geschichten gesehen."

Geholfen hat ihr sicherlich, dass ihr mit den Americana-Geschichten schon bald ein früher Erfolg vergönnt war. Für ihren dokumentarischen Kurzfilm "Ferry Tales", der von Pendlerinnen erzählt, die sich auf der Staten-Islands-Fähre auf der Frauentoilette treffen, wurde sie 2004 für den Oscar nominiert. Die Verleihung war ein glamouröser Kontrapunkt für das sonst eher nüchterne Dokumentarfilmgeschäft. Esson wurde von ihrem Haussender HBO mit Designerklamotten ausgestattet, musste eine Rede auswendig lernen für den Fall, dass sie gewinnen würde. Aber es war vergebens. Ihr Fazit: "Es ist alles super lächerlich, aber man wird doch mitgerissen." Immerhin traf sie Nicole Kidman, zwar nur auf dem Damenklo, aber irgendwie passend zum Inhalt ihres Films.

Im vergangenen Jahr hat sie einen Film über die Mohawk-Indianer gedreht, die sich seit Generationen ihr Geld als trittsichere Stahlarbeiter bei der Errichtung von Wolkenkratzern verdienen. "Skywalker" lief bei uns unter dem Titel "Die Himmelsläufer" und wurde schon mehrfach im deutschen Fernsehen gezeigt. Esson konnte darin den Mythos von den angeblich so furchtlosen Indianern hinterfragen und zeigen, dass vor allem die Frauen in den Reservaten die Gemeinschaft zusammenhalten.

Starke Frauen spielen in vielen ihrer Filme eine wichtige Rolle. Die meisten ihrer Filme werden von Women Make Movies an die Sender vermittelt, einem Vertrieb, der "Filme von Frauen über Frauen" im Programm hat. Wenn sie keine eigenen Filme dreht, hilft die 46-Jährige Studierenden oder hält Vorträge über das Thema Frauen und Kunst. Als Regisseurin hat Katja Esson mittlerweile ein klares Credo entwickelt. "Ich möchte in keine Ecke gedrängt werden, sondern Filme über Menschen machen, die sonst kein Forum haben." Wie eben die Mohawk oder manche Frauen.

Bei vielen Filmen habe sie oft von ihrer Herkunft profitiert, von ihrem Blickwinkel, vielleicht auch gerade deshalb, weil sie nicht mit vorgefertigten Meinungen an Geschichten und Menschen herangeht. "Es hat mir geholfen, dass ich Deutsche bin. Du bist eben in Europa ein Ureinwohner, haben die Mohawk zu mir gesagt." Trotzdem würde sie sehr gern auch mal einen Film über Hamburg drehen.

Die nötige Außenperspektive dazu hat sie - und einen guten Draht zu den Ureinwohnern natürlich auch.