Harte Jungs treffen bei der vierten Ausgabe des Programms “Im Aufschwung“ auf die Tänzer des Bundesjugendballetts.

EDT. "Man kennt Frauen in diesen Röcken und Männer in Strumpfhosen, aber ich habe mich nie mit Ballett befasst", sagt ein Häftling in Lukas Palms Dokumentation "Rap auf Ballett" über das Projekt des Bundesjugendballetts in der Justizvollzugsanstalt Rottenburg am Neckar. Schatten verdeckt sein Gesicht. Die Konturen eines Scherenschnitts. Keiner der sechs an diesem ungewöhnlichen Experiment beteiligten Rapper ist im Film zu erkennen. Ausschnitte sind bei der Premiere "Im Aufschwung IV" heute Abend zu sehen, wie auch die sieben von den Tänzern gemeinsam choreografierten Songs zu hören sind. Zwei frühere, mittlerweile wieder freigelassene Gefangene rappen live ihre Texte.

"Sie handeln von Dingen, die ich erlebt habe", sagt einer. "Ich schreibe mir den Druck und den Frust von der Seele." Sein Song heißt denn auch "Tagebuch": "Meine Ängste aufgeschrieben/Mit Tränen aufs Blatt". Der coole Junge spricht seine ansonsten verheimlichten Gedanken und Gefühle aus. Er bezweifelte jedoch zunächst, ob das mit dem Spitzentanz im Tutu funktionieren könnte. "Wie soll das denn aussehen, meine Güte? Gangsta-Rap ist ziemlich hart und direkt auf die Fresse."

In " Rap auf Ballett" begegnen sich zwei Welten, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Es gehört zum künstlerischen Konzept des Bundesjugendballetts, den Tanz Menschen nahezubringen, die ihn nicht kennen oder keine Gelegenheit dazu haben, ihn kennenzulernen. "Rap auf Ballett" war für keine der beiden Seiten ein einfaches Unternehmen. Die Tänzer begaben sich in eine für sie völlig fremde Umgebung, reagierten anfangs verunsichert und vorsichtig. Beim Tanzen kennen sie allerdings keine Probleme: "Der Beat passt gut zu Ballett", findet eine Tänzerin, die mit ihren Kollegen die Songs in Bewegungen umsetzte, in denen sich klassische Tanzposen und Figuren aus dem Breakdance mischen.

Eine "heftige Bestätigung" erlebten die an der Aufführung im Gemeinschaftssaal beteiligten Rapper schließlich. Sie hatten Panik, sich im Knast von emotionaler Seite zu zeigen und vor den 150 Mithäftlingen als "Oberluschen" zu blamieren. Das Gegenteil war der Fall. "Es ergeht einem wie jemandem, der lange kein Fahrrad hat, dann eines bekommt und ein paar Runden drehen kann", beschreibt ein Rapper seine Erfahrung bei den gemeinsamen Proben mit den Tänzern und das Erlebnis der Aufführung: "So habe ich mich gefreut, dass ich ein paar Runden auf der Bühne machen konnte."

Bevor die Rapper mit dem Bundesjugendballett in Hamburg die Bühne erobern, bieten die Tänzer Einblick in ihre stilistisch unterschiedliche Arbeit. Natalia Horecnas rätselhaft surreales, gleichwohl fesselndes Tanzstück "Dressed up in Tissue Paper" eröffnet den Abend. Es folgen dann Spielarten des Pas des deux. Kevin Haigen, der künstlerische Leiter des Bundesjugendballetts, choreografierte auf Musik von Antonin Dvoraks "Nocturne" und Marc Jubete, ein Gruppentänzer im Hamburg Ballett, das Duo "Hide and Seek".

Ebenfalls als Gäste aus John Neumeiers Compagnie zeigen Xue Lin und Aleix Martínez einen klassischen Pas de deux aus Auguste Bournonvilles "La Sylphide".

Wie sagt einer der Rapper im Film noch? "Rap und Ballett ist eine neue Mischung - und schon eigentlich Future."

"Im Aufschwung IV" 22. u. 23.11., jeweils 19.30 Uhr, Ernst-Deutsch-Theater (U Mundsburg), Friedrich-Schütter-Platz 1, Karten zu 20,- bis 34,-, erm. 9,- unter T. 22 70 14 20; www.bundesjugendballett.de