Nach Insolvenz der Theaterbetriebsgesellschaft gerät das Hamburger Zelttheater immer tiefer in die Krise. Rettung soll ein neuer Standort bringen.

Hamburg. Normalerweise ist der späte Herbst mitsamt der Vorweihnachtszeit für ein Privattheater die beste, weil umsatzstärkste Zeit des Jahres. Der Spielplan ist voll. Blickt man auf das Angebot der Fliegenden Bauten und deren Website, tun sich erhebliche Lücken auf. 16 spielfreie Tage im November sind für einen Privatbetrieb kein Zeichen dafür, dass alles rundläuft. Da kann auch das heutige Konzert der NDR-Reihe "Hamburg Sounds" mit gleich vier Jazz- und Pop-Sängerinnen nur kurzfristig für Entspannung sorgen. Was spielt sich hinter den Kulissen des Hamburger Zelttheaters gegenüber vom Heiligengeistfeld ab?

Einige der Büro-Container sind verwaist oder geschlossen. Guido Marc Gosch jedoch hält die Stellung.

Im Frühjahr hatte er für die Theaterbetriebsgesellschaft Insolvenz anmelden müssen (das Abendblatt berichtete). Das zehnte Jubiläum der Fliegenden Bauten im April am Standort Glacischaussee bot alles andere als einen Grund zum Feiern.

Erfolgsproduktionen wie die musikalische Balkan-Varieté-Show "Balagan", die japanischen "Tao"-Trommler oder die kubanische Show "The Bar at Buena Vista" erscheinen heute wie aus einer anderen Zeit. Auftritte von Musikstars wie den Red Hot Chili Peppers oder Bob Geldof wecken bei Fans wehmütige Erinnerungen. An der diesjährigen Theaternacht waren die Fliegenden Bauten schon nicht mehr beteiligt. Und trotz gelegentlicher Konzerte und Gastspiele von Comedians wie Jörg Knör ist hier nur noch wenigen zum Lachen zumute.

Mit zehn statt zuvor 25 Mitarbeitern versucht Geschäftsführer Gosch, unter dem die "Bauten" erstmals ein inhabergeführtes Unternehmen sind, den Betrieb am Laufen zu halten. "Ich musste die Kosten minimieren", sagt Gosch. Ticketing, Marketing, Pressearbeit und Catering - alles outgesourct. Sein löbliches Ziel, wie in den vergangenen eineinhalb Jahren, den Cirque Nouveau, den aus Frankreich und Kanada stammenden neuen Zirkus, mit Gruppen wie 7 Fingers oder dem Theatre NoNo in Hamburg zu präsentieren, tritt da in den Hintergrund. "Aufgrund gemachter Erfahrungen haben wir unsere Umsatzerwartung und Liquiditätsplanungen angepasst und kalkulieren ohne eine besondere Erwartungshaltung im Vorweihnachtsgeschäft linear über die gesamte Spielzeit", sagt Gosch. Obwohl bis gestern auf der Website für Januar 2013 nur ein Gastspiel von "Ritter Rost - The Best of Revue" für den 6. Januar verzeichnet (und damit im Verkauf) war, versichert Gosch schriftlich, dass erst ab dem 11. Januar ein vierwöchiges Gastspiel des schwedischen Cirkus Cirkör mit "Wear It like a Crown" folgt. Weder wirtschaftlich noch inhaltlich kann die Deutschland-Premiere der Scandinavian Hunks am 9. und 10. November das Veranstaltungsloch füllen. Auch wenn die Boys als nordische Antwort auf die umkreischten US-Stripper The Chippendales gelten.

Stattdessen muss Gosch selbst womöglich am 5. Dezember die Hosen runterlassen: Dann ist vor dem Amtsgericht Hamburg vom vorläufigen Insolvenzverwalter Rechtsanwalt Dr. Jörn-H. Meyn eine Gläubigerversammlung für die GC Events GmbH anberaumt. Für Gosch nicht das erste Insolvenzverfahren: Für die Fliegende Bauten GmbH und die Gosch Consulting hatte er bereits Insolvenz angemeldet. Derzeit laufen die Fliegenden Bauten unter der Gosch Solutions UG & Co KG.

Verantwortlich für die Defizite in mittlerer sechsstelliger Höhe hatte Gosch im Frühjahr Altlasten aus der Spielzeit 2009/10 gemacht. Der gebürtige Sylter hatte mit seiner Gosch Consulting GmbH zunächst 40 Prozent, bis Ende 2011 dann 100 Prozent der Anteile der Betriebsgesellschaft übernommen.

"Wenn wir selbst veranstalten, geben wir gegenüber den Künstlern keine finanziellen Garantien ab", sagt Gosch. Lieber vermietet er das Zelt für Galas mit seinem neuen Catering-Partner, der Firma Brunckhorst. "Ich möchte die Fliegenden Bauten in eine sichere Zukunft führen", sagt Gosch, der dem Zelttheater seit 16 Jahren verbunden ist. Bis April 2013 hat Gosch Programm gebucht. "Die Planungen laufen weiter, allerdings nehmen wir derzeit für die Spielzeit 2013/14 erstmalig einen Passus auf, dass der Veranstaltungsort auch ein anderer als die Glacischaussee sein kann." Der Pachtvertrag für die Glacischaussee mit dem Bezirksamt Mitte gilt bis Ende 2014.

Geschäftsführer Gosch ("Ich verstehe mich eher als Consulter") sieht nur noch an einem neuem Standort eine Zukunft. Mit der Kulturbehörde hat er darüber einige Gespräche geführt. Hilfe bei der Suche nach neuen Standorten über die Kreativ-Gesellschaft oder die Städtische Sprinkenhof AG seien denkbar, hieß es aus der Behörde. Gosch, dem vorschwebt, die Fliegenden Bauten gemeinnützig als Non-Profit-Gesellschaft zu führen, will bereits heute ein Gelände in Bahrenfeld begutachten. Für einen neuen festen Bau an neuer Stätte stehe er in Gesprächen "auch mit Stiftungen oder sonstigen Förderern". Wer das ist, wollte Gosch auf Nachfrage nicht sagen. Solange die Geldgeber sich nicht zeigen, bleibt die Zukunft der Fliegenden Bauten weiter ungewiss.

Programm: www.fliegende-bauten.de