Die Musik- und Kunstszene ist fassungslos: Der Hamburger Künstler Nils Koppruch starb an diesem Mittwoch im Alter von 46 Jahren.

Hamburg. Nils Koppruch ist dem Leben in seinen Liedern stets mit berückender Schönheit und tiefer Ehrlichkeit begegnet. Und wer jetzt noch einmal seine Songs hört, falls sie nicht ohnehin ständige Begleiter sind, der findet darin Trost. "Es ist okay / dass alles nur einmal ist / dass es nur einen Anfang und nur ein Ende gibt / und wenn es vorbei ist / dass man vermisst / einmal nur einmal / und dass man vergisst", singt er zur zart gespielten Akustikgitarre in "Einmal".

Vergessen werden ihn Familie, Freunde und Fans gewiss nicht, diesen Vollblutkünstler und feinen Poeten, der stets halb verschmitzt, halb ernst unter dicken Augenbrauen und wilden Stirnfransen in die Welt blickte. Am Mittwoch ist Nils Koppruch zu Hause in Hamburg im Alter von 46 Jahren gestorben. Er hinterlässt eine Frau und einen kleinen Sohn. Die Musik- und Kunstszene ist fassungslos und traurig.

Koppruch hatte ein Gesicht, gern hinter Drei- bis Siebentagebart verborgen, dem dieses ganze komplexe Dasein, die Liebe, Abgründe und all die Merkwürdigkeiten eingeschrieben schienen. Ein Vagabund im allerbesten Sinne. Einer, der wusste, dass er nur auf der "Durchreise" war, wie er in einem seiner Songs feststellte: "Mich kehrt ein Besen durch die Zeit", raunte er auf "Bam Bam Bam", dem sechsten und letzten Album seiner Band Fink.

Von 1996 bis 2006 war Koppruch an Gitarre, Banjo, Mundharmonika und Mikrofon Kopf dieser Combo, mit der er sich auf angenehme Weise herzlich wenig um Genreschubladen scherte. Americana? Country? Rock? Folk? "Manche sagen Kantriekram und andere Dudelei", sang er trotzig. Als er 2007 mit dem Album "Den Teufel tun" alleine weitermachte, gewann seine Musik an Intimität, ohne die spannenden, schroffen Kanten zu verlieren. Und wer weiß, wie viele Paare schon zusammengefunden haben, weil sie dieser federleichten Aufforderung Koppruchs folgten: "Komm küssen, warum soll'n wir noch warten / wir steh'n in einer offenen Tür / und dahinter liegt ein goldener Garten".

Koppruch war, auch als Soloartist, stets einer, der den Austausch brauchte. Der in seiner Heimat Hamburg, in der er 1965 geboren wurde, die Fäden zusammenführte, indem er die Herzen der Menschen mit seiner Kunst umgarnte. So musizierte er in seiner wunderbar eigensinnigen Laufbahn unter anderem mit Künstlern wie Peter Lohmeyer, Günter Märtens, Christoph Kähler und Meike Schrader.

Im Spätsommer erst hatte Koppruch mit dem Musiker Gisbert zu Knyphausen erfolgreich das Debütalbum "I" des gemeinsamen Projekts Kid Kopphausen veröffentlicht. Als ein Duo aus "introvertiertem Gefühlsdichter vom Land" und "umranktem Großstadtcowboy" , hatte Koppruch den Verbund beschrieben. Und Koppruch, der Großstadtcowboy, liebte auch bei seiner zweiten großen Leidenschaft, der Malerei, das Unperfekte, Urbane, die Finesse des groben Strichs.

In seinem Atelier in der Wohlwillstraße auf St. Pauli schuf er unter dem Pseudonym SAM. Bilder, die in ihrer Mischung aus Direktheit und subtilem Witz die Seele zum Schwingen bringen. Die Kräne des Hafens ragen da wie Wesen mit ganz eigenem Charakter empor. Liebende umarmen sich, als seien sie Anker füreinander. Ein "Schönes Mädchen" sieht räudig und traurig aus. "In der Malerei arbeite ich aber fast gar nicht inhaltlich, da geht's mir um anderes, um Struktur, Farben, ich lasse dem Zufall viel mehr Raum. Bei den Songs ist jedes Wort da, wo es sein muss", sagte er 2007 im Interview mit dem Abendblatt. Das Erd- und Ockerfarbene, das er so gerne verwendete, verleiht vielen seiner Werke eine melancholische Aura.

Wie schmerzlich diese sensible, anregende Persönlichkeit vermisst werden wird, zeigte sich gestern in zahlreichen Beileidsbekundungen. "Ich hatte Dir so viel zu verdanken und weiß nicht, was ich sagen soll", schrieb etwa Norbert Roep vom Club Knust. "Wir sind geschockt. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie und seinen Freunden", erklärten die Veranstalter des Rolling Stone Weekenders, wo Kid Kopphausen im November auftreten wollte.

Seine Stimme, so rau und voller Staub und Gold, ist verstummt. Doch für seine Lieder wünschte sich Koppruch, dass sie stets auch "Gebrauchswert" haben sollten: "Die Idee war, die Songs einfach zu halten, sodass der, der ein bisschen 'ne Gitarre festhalten kann, das auch relativ leicht nachmachen kann", sagte er einst. Zu hoffen ist, dass viele dieser Aufforderung folgen. Denn Musik ist nicht nur gut als Trost, sondern auch gegen das Vergessen.