Regisseur Fatih Akin wurde beim Filmfest in Venedig mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet. Hier spricht der Hamburger über den Erfolg.

Venedig. Herr Akin, bei den Deutschen Filmpreisen für "Auf der anderen Seite" hatten Sie zuletzt angedeutet, dass Ihnen solche Preise gar nicht so wichtig sind. Wie sehen Sie das jetzt, nach dieser erneuten Auszeichnung?

Fatih Akin: Das ist so ein physikalisches Gesetz: Je mehr Preise man gewinnt, desto weniger wichtig erscheinen sie einem. Aber das kann man natürlich leicht sagen, wenn man schon einige bekommen hat. Vielleicht gibt es ja auch mal wieder eine Durststrecke, dann bedeuten mir Preise möglicherweise wieder mehr. Es geht aber noch um anderes beim Film: die Publikumsreaktionen etwa oder Teil der Populärkultur zu sein. Ich war ja inzwischen auch in einigen Jurys, ich bin so ein bisschen "verdorben" mit Preisen.

Zumindest aber sehr verwöhnt.

Akin: Wahrscheinlich. Aber wir sind letztendlich immer noch Independents, wir haben ja kein Major-Studio hinter uns, das dafür sorgt, dass unsere Filme weltweit vermarktet werden. Deshalb bringt so ein Preis enorme Aufmerksamkeit, und die hilft uns, die Filme zu verkaufen. Von daher sind Preise wichtig. Aber das Ego versuche ich davon freizumachen. Irgendwann drehe ich mal einen Film über das Ego.

Sie haben bei diesem Film lange gezögert, ihn selber zu machen.

Akin: Es ist ja auch ein gewisses Wagnis. Ich bin ja sehr erfolgsverwöhnt mit meinen ernsten Filmen. Und da habe ich mich immer gefragt: Soll ich jetzt wirklich eine Komödie machen? Ist das nicht ein Risiko? Dabei ist es doch letztlich ganz egal. Scorsese hat mal etwas sehr Schlaues gesagt, wie man so seinen Weg gehen kann: Ich mache einen Film für das System und einen Film für mich. Vielleicht sind Preise und Festivals für mich schon das System. Und so einen Film fürs Publikum zu machen - das ist dann vielleicht ein Film für mich.

Wie haben Sie die Vorführung in Venedig erlebt?

Akin: Ich habe in der Nacht davor kaum geschlafen vor Nervosität. Ich war aber sowieso etwas angeschlagen, ich habe mir im Kindergarten meines Sohnes einen Schnupfen eingefangen. Aber dann war ich in der ersten Vorführung mit internationalem Publikum. Und die haben total gelacht. Wir haben ja doch eine Komödie mit Hamburger Lokalkolorit gedreht. Wenn nun auch Italiener und Amerikaner darauf anspringen, ist das erste Klassenziel scheinbar erreicht.

Liegen Ihnen Komödien mehr? War das jetzt Erholung, mal kein ernstes Drama zu machen?

Akin: Nein. Ernste Filme sind nur einfacher zu machen. Und man will ja immer die Welt verändern und denkt, das geht mit ernsten Filmen eher. Was vielleicht gar nicht stimmt. Kubricks "Dr. Seltsam" hat auch die Welt verändert und war dennoch komisch. Nicht dass ich jetzt "Soul Kitchen" mit Kubrick vergleichen möchte. Ich kann einfach nicht sagen, was mir mehr liegt. Es ist mehr wie diese doppelte Maske vom Theater, die man ja auch hier überall in Venedig sehen kann: Die eine Maske lächelt, bei der anderen gehen die Mundwinkel nach unten. Das gehört beides zusammen. Wenn es mir gelingen würde, alle zehn Jahre eine Komödie zu machen - das wäre schön. Alle fünf Jahre möchte ich es nicht machen, dafür ist es einfach zu schwierig. Aber man darf das innere Kind nicht verlieren.

Und woran lag es, dass der Film nicht rechtzeitig für das Festival in Cannes fertig wurde?

Akin: An Jan Delay.

An Jan Delay?

Akin: Ja. Ich wollte einen Song von ihm im Film haben. Er hat dann erst mal den Film sehen wollen und mich danach gefragt: Bist du damit fertig? Und ich habe gesagt: Ja, klar, damit gehe ich nach Cannes. Er antwortete: Ich glaube nicht, dass du schon fertig bist. Der Film hat noch nicht den richtigen Groove.

Und dann haben Sie in Cannes angerufen und gesagt, dass der Groove noch nicht stimmt?

Akin: Genau das habe ich gesagt. Und dann sind wir noch mal rangegangen und haben am Groove gearbeitet.