Fast wurde man schwindelig angesichts all der Superlative, die bei der gemeinsamen Pressekonferenz von ARD und ProSieben zum Eurovision Song Contest (ESC) 2010 fielen, dem “größten Musikwettbewerb der Welt“, “der Fußball-Weltmeisterschaft im Singen“.

Hamburg. Die "ungewöhnlichste Fernsehallianz aller Zeiten" nannten die Veranstalter die Kooperation, die nach längerem Hin und Her im Juli schließlich zustande gekommen war; eine "Aufgabe historischer Tragweite" sieht Moderator Stefan Raab in seiner Allround-Funktion als Aushängeschild, Jurypräsident und Initiator des neuen Showkonzepts.

Was also ist neu, was so besonders? Zuvorderst das erklärte Ziel, Deutschland aus dem Eurovision-Song-Contest-Schlammassel der zurückliegenden Jahre mit vereinten Kräften herauszumanövrieren. Das betrifft das Niveau und die Präsentation der deutschen Qualifikation ebenso wie das spätere Abschneiden im internationalen Vergleich. "Ich sag mal, einen Platz unter den ersten zehn sollte man schon anvisieren", so Raab. In acht Folgen soll der Vorentscheid im Februar und März 2010 ausgestrahlt werden - eine Möglichkeit für das Publikum, siehe "Deutschland sucht den Superstar", für seinen Favoriten mitzufiebern; "das Finale emotionalisieren" nennen das die Verantwortlichen auf dem Podium, neben Raab unter anderem NDR-Intendant Lutz Marmor und ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber. Das Publikum entscheidet im Finale schließlich über den deutschen Vertreter sowie über das Lied, das dieser in Oslo beim ESC singen wird. Public Viewing wie zu WM-Zeiten, sagt Raab, sei ausdrücklich erwünscht.

Unterscheiden soll sich der ESC von anderen Castingshows vor allem darin, dass es hier "auf das Wesentliche ankommt", also auf die Stimme. "Wir suchen keinen Superstar, sondern ein musikalisches Talent", sagt Schreiber. Mit Raab ist zudem "der Mann mit der größten musikalischen Glaubwürdigkeit von allen Menschen, die im Fernsehen arbeiten" (Schreiber) mit an Bord. Am Jurytisch werden ihm "zwei kompetente Größen aus dem Musikgeschäft" zur Seite sitzen. Bewerben kann sich übrigens jeder, der volljährig und noch nicht als Musiker erfolgreich ist.

Klingt tatsächlich wie die "Win-win-win-Situation", als die es ProSiebenSat.1-Vorstand Andreas Bartl bezeichnet. Nur der eigentliche Grund für das große Senderkuscheln ist geradezu unpassend banal: Raab braucht die ARD, weil sie die deutschen Rechte am Wettbewerb besitzt: "Die ARD hat die Marke, das ist das Problem." Eine Marke, die künftig wieder mehr sein soll als nur eine Lachnummer. Mit Schreibers Worten: "Ein kleiner Schritt für das Fernsehen, ein großer für den Eurovision Song Contest."