Warum die Entwürfe aus den 20er-Jahren sich durchsetzten, von den Menschen aber nicht wirklich geliebt werden.

Berlin. So viel Bauhaus wie jetzt in Berlin wird es auf absehbare Zeit nicht mehr geben irgendwo auf der Welt. 90 Jahre nach der Gründung der Kunstschule in Weimar haben sich die wichtigsten drei der heutigen Bauhaus-Institutionen in Deutschland zusammengetan, um ihre Schätze aus Museen und Archiven zu einer fantastischen Schau im Martin-Gropius-Bau zu versammeln.

Im gesamten Erdgeschoss des Ausstellungspalastes wird auf die sinnlichste Weise eine Fülle von Originalen vor dem Auge des Betrachters ausgebreitet, dass es eine Lust ist: Architekturmodelle und Malerei, Fotografien und Töpferwaren, Manifeste, Messingkannen, Teppiche, Zeitschriften, Farbstudien und Stahlrohrsessel - immer wieder neu inszeniert in wechselnden Rauminstallationen. Selbst Kenner des Bauhauses können hier Neues entdecken, etwa das bezaubernd schlichte Kleid von Lis Volger aus der Webereiwerkstatt, entstanden 1928.

Anfang und Ende des Rundgangs bildet das Werk des größten der Bauhaus-Architekten Ludwig Mies van der Rohe, dem Berlin die Neue Nationalgalerie am Kulturforum aus dem Jahr 1968 verdankt. Im ersten Raum ist der berühmte Entwurf des 36-Jährigen für ein Hochhaus am Bahnhof Friedrichstraße aus dem Jahr 1922 dokumentiert, ein Gebäude wie ein Kristall, nur aus Stahl und Glas, ein visionärer Ausblick auf die Architektur der Nachkriegsmoderne (aber mit der Konstruktionstechnik der 20er-Jahre gar nicht zu realisieren, wie wir heute wissen). Und im letzten Raum, umgeben von edlem Palisanderfurnier, sehen wir die Möbel-Klassiker des Architekten, der als letzter Bauhaus-Direktor die Schule kurz nach dem Umzug in die Reichshauptstadt 1933 auf Druck der Nationalsozialisten schließen musste.

Der Innovationsdrang und die Explosion an Kreativität am Bauhaus machen noch heute staunen, die Kühnheit der neuen Formen war ohne Beispiel, und sie war Teil eines umfassenden, neuen Lebensentwurfs für den modernen Menschen des Industriezeitalters. In einem kurzen Zeitraum von nur 14 Jahren entstanden am Bauhaus Ideen von visionärer Kraft, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg über den ganzen Globus verbreiteten. Es gibt kaum einen Winkel auf der Welt, an dem sich nicht Gebäude oder Einrichtungsgegenstände fänden, die auf jene Schule der Gestaltung zurückgehen. Die Produkte des Bauhauses wurden neben der klassischen Musik zu den erfolgreichsten Exportschlagern der deutschen Kultur.

Lage des Gropius-Bau

Doch es gibt eine Kehrseite dieser Erfolgsgeschichte. Zwar ist wirklich eine neue Gesellschaft entstanden - aber anders, als es sich viele Bauhäusler in ihren sozialistischen Utopien erträumt hatten. Zwar musste man in den 60er- und 70er-Jahren feststellen, dass das Bauhaus gesiegt hatte, am sichtbarsten und folgenreichsten in Architektur und Städtebau, mit all den Siedlungen und gerasterten Hochhäusern.

Aber das Bauhaus hatte sich zu Tode gesiegt; die Menschen waren der sterilen Vernunftwelten überdrüssig, und es wurde offenbar, was Kritiker seit den Anfängen des Bauhauses beklagt hatten: dass es mit seiner Verachtung für das 19. Jahrhundert vieles von dem entsorgt hatte, was den Menschen auch in der neuen Gesellschaft lieb und teuer war: Dichte, regionale Vielfalt, Dekor, Wohnlichkeit.

Man braucht sich im Gropius-Bau nur die wunderbar dokumentierte Versuchssiedlung in Dessau-Törten (1926-1930) anzusehen, um zu begreifen, warum es beim Versuch blieb: Kahl und kalt wirken die Straßenzüge, abweisend statt einladend die Fassaden mit ihren Sehschlitzen. Zwei Original-Bauteile der Siedlung hängen im Gropius-Bau an der Wand: eine Haustür und ein undichter Fensterrahmen - ein Bild des Jammers.

Nur wenige wurden damals heimisch in solchen Wohnwelten - und so ist es bis heute geblieben. Was auch an einer so scheinbaren Nebensächlichkeit liegt wie dem vom Bauhaus propagierten "fortschrittlichen" Flachdach, im Gegensatz zum als "rückschrittlich" diffamierten Satteldach. Bis in die Gegenwart bleibt das geneigte Dach ein Urbild von Schutz und Sicherheit - und besser wasserdicht zu bekommen ist es allemal.

Heute fällt es schwer, ein Quartier im Bauhaus-Stil zu nennen, das es an Popularität mit den historischen Vierteln aufnehmen könnte. Auch in Berlin sind die gefragtesten Bezirke jene, die man als bauhausfrei bezeichnen könnte. Und ein Blick auf die populären Bildbände über Interieurs zeigt, dass die Bauhaus-Kuben mit ihren Fensterbändern eine verschwindende Minderheit bilden.

Die Mehrheit der Menschen bevorzugt ein Maß an Verdichtung und Schmuck, das dem Bauhaus ein Gräuel war. Sie schätzen großzügige Deckenhöhen und Interieurs, die auch Behaglichkeit verströmen und deren aus verschiedenen Epochen gemischtes Inventar etwas erzählt von unserer Geschichte. Dort findet man dann auch die eleganteren der Bauhaus-Möbel und -Lampen, die den Test der Zeit bestanden haben. Beim Design sind die Ideen aus Weimar und Dessau am lebendigsten geblieben. Das wird nirgends so deutlich wie beim Erfolg des Möbelhauses Ikea. Die Forderung des zweiten Bauhaus-Direktors Hannes Meyer, "Volksbedarf statt Luxusbedarf" - bei Ikea ist sie Wirklichkeit geworden.

Ausstellung "Modell Bauhaus" ist von heute an bis zum 4. Oktober zu sehen, täglich 10-20 Uhr, Niederkirchnerstraße 7, Kreuzberg. Der Begleitband kostet in der Ausstellung 29,80 Euro, im Buchhandel 39,80 Euro. Alles über Ausstellung und Rahmenprogramm unter: www.modell-bauhaus.de