Tennis als große Show: Vom Turnier, das am Wochenende am Rothenbaum startet, überträgt der Lokalsender erstmals alle Spiele

Hamburg. Uli Pingel schläft unruhig seit einigen Tagen. Immer wieder wacht er nachts auf, weil ihm Ideen durch den Kopf schießen und weil er sich Gedanken macht über das, was ihn von diesem Sonntag an erwartet. Pingel ist Sportchef bei Hamburg 1, und mit seiner Redaktion steht der 35-Jährige vor einer Herausforderung, die der Stadtsender seit der Gründung 1995 in dieser Form noch nie bewältigt hat.

Beim Herren-Tennisturnier am Rothenbaum, das in diesem Jahr vom 16. bis 22. Juli seine 106. Auflage erlebt, überträgt Hamburg 1 alle Spiele live, die auf dem Centre-Court ausgetragen werden; auf mehr als 40 Stunden wird sich die Berichterstattung von der Hallerstraße dann summieren. Von Montag bis Donnerstag wird zwischen 14 und 21 Uhr gesendet, das erste der vier Viertelfinalspiele am Freitag startet bereits um 12 Uhr, die Halbfinals am Sonnabend und das Endspiel am Sonntag beginnen um 14 Uhr. Den Auftakt der achttägigen Live-Strecke bildet an diesem Sonntag um 19 Uhr das "Legendenmatch" zwischen Turnierdirektor Michael Stich und US-Altmeister John McEnroe.

"Wir begleiten das Turnier seit Mitte der 90er-Jahre mit ausführlicher Berichterstattung, aber das, was wir jetzt vorhaben, ist eine neue Dimension", sagt Pingel, der früher selbst Tennis spielte und sich deshalb auch "als Fan" auf die anstehende Aufgabe freut. Mit Live-Sport hat der Sender zwar durch Übertragungen des Endspiels im Hamburger Amateurfußball-Pokal, von Boxveranstaltungen oder auch des Radrennspektakels Cyclassics gute Erfahrungen gemacht. Länger als drei Stunden am Stück hat jedoch nie eine dieser Sendungen gedauert. "Wir wollen nicht nur die Spiele zeigen, sondern auch ausführliche Vor- und Nachberichte und Interviews anbieten", sagt Pingel. Täglich wird um 21.15 Uhr eine halbstündige Zusammenfassung des Tagesgeschehens gesendet; ausgewählte Partien werden anschließend im Nachtprogramm wiederholt.

"Wir wollen als Metropolsender das Geschehen in der Stadt abbilden, können das aber nur, wenn wir die nötigen Rechte finanzieren und bekommen können", sagt Geschäftsführer Jan-Niko Lafrentz. Dies wurde möglich, weil die Veranstalter des Turniers mit der bestehenden Kooperation mit dem Spartensender Sport1 unzufrieden waren, nachdem dieser mehrfach aus laufenden Übertragungen ausgestiegen war. "Wir sind froh, dass wir einen lokalen Partner gefunden haben, der den Hamburgern das Turnier nahebringt", sagt Detlef Hammer, Geschäftsführer des Veranstalters HSE.

Bundesweit überträgt Sport1 auch in diesem Jahr ausgewählte Partien live. Grundsätzlich ist das Interesse an Tennis bei den deutschen TV-Sendern jedoch stark gesunken. ARD und ZDF zeigen den Sport nur noch in Nachrichtenform. Das bekannteste Turnier der Welt in Wimbledon ist in Deutschland nur beim Bezahlsender Sky zu sehen.

Weltweit ist die Resonanz dagegen groß. Im vergangenen Jahr zeigten 81 Sender in 47 Ländern insgesamt 2190 Stunden Live-Tennis vom Rothenbaum. Hinter Europa mit 1476 Stunden folgte Asien, ein Boom-Markt auch im Tennis, mit 452 Stunden.

Der weltweite Werbeeffekt des Turniers für die Stadt ist entsprechend hoch. Hamburg 1 möchte nun seinen Beitrag dazu leisten, die Marke Rothenbaum auch in der Heimat zu stärken. "Es ist uns wichtig, solche Traditionsveranstaltungen in der Stadt zu unterstützen. Unser Sender ist nicht nur in rund zwei Millionen Haushalten in der Metropolregion zu empfangen, sondern über die Telekom-Entertain-Plattform auch in 1,6 Millionen Haushalten bundesweit. Wir verstehen uns deshalb als Visitenkarte für Hamburg", sagt Geschäftsführer Lafrentz.

Entsprechend hoch ist der Aufwand, den der Sender betreibt. Mehr als 20 Mitarbeiter, davon zehn redaktionelle und zehn aus der Technik, sind im Einsatz, die Kosten dafür liegen im niedrigen fünfstelligen Bereich. Das Weltsignal, also jene Bilder vom Centre-Court, die alle TV-Sender weltweit erhalten, wird von der Düsseldorfer U.Com Media GmbH produziert, die Kosten dafür trägt die HSE. Hamburg 1 ist zusätzlich mit vier Kamerateams auf der Anlage. Das Studio, aus dem Pingel moderieren wird, steht direkt neben dem Centre-Court-Restaurant auf der Südwesttribüne. Als Experten werden frühere Hamburger Tennisprofis wie Jörn Renzenbrink oder Ricki Osterthun die Spiele analysieren. Auch Stich und Daviscup-Teamchef Patrik Kühnen stehen zur Verfügung. Kommentator ist mit Karsten Linke, 48, ein ausgewiesener Tennisexperte, der viele Jahre für Sat.1 und Eurosport tätig war.

"Unser Anspruch ist es, dieses Turnier zu einer großen Show zu machen", sagt Uli Pingel. Erst wenn der letzte Punkt gespielt und dieses Vorhaben gelungen ist, wird er wieder ruhig schlafen können.

Tennis am Rothenbaum ab 15. Juli, Hamburg 1