Anselm Reyle, 42, gilt als Star im hochtourigen internationalen Kunstbetrieb. Wer ihm begegnet und die üblichen Exzentrikausfälle erwartet, wird enttäuscht. Reyle ist im Kontext der Eitelkeiten bestechend unelitär, freundlich, verbindlich. Eine echte Wohltat. Der gebürtige Tübinger, der erst die Schule, dann die Ausbildung zum Landschaftsgärtner abbrach, um in Stuttgart und Karlsruhe Kunst zu studieren, sieht Kunst als Beruf wie jeden anderen auch.

Wenn er nicht wie derzeit mit seiner Klasse an der Hochschule für bildende Künste Hamburg, an die er 2009 berufen wurde, die Jahresausstellung vorbereitet oder seine Arbeiten rund um den Globus zeigt, lebt er mit einer Architektin, dem gemeinsamen einjährigen Sohn und Katze in Berlin. Das angeschlossene Atelier, das er mit schwäbischem Sinn für Ordnung führt, bevölkern um die 25 Assistenten. Sammler warten weltweit auf seine Bilder, die auf Auktionen schon mal für sechsstellige Rekordpreise weggehen. Und die mancher aufgrund der Vorliebe des Künstlers für Folien, Lack oder Neonfarben vielleicht als Kitsch bezeichnen würde. Dabei ist Reyle kein Pop-Artist, ihn interessiert ein aktueller Blick auf die Kunst der Moderne.

Zum Ausgleich übt der passionierte Heavy-Metal-Fan Tonleitern auf der Gitarre. Oder gräbt seinen Gemüsegarten um. Die Bodenständigkeit schadet ihm keineswegs. Vielleicht ist sie sogar das Geheimnis seines Erfolgs.