Die Kinder- und Jugendbuchautorin liest in der Zentralbibliothek aus ihrem neuen Roman “Geisterritter“. Das Abendblatt verlost Karten.

Bücherhallen. Welcher Elfjährige wäre nicht gerne mal ein Ritter, so richtig mit Rüstung, Schwert und hoch zu Ross? Jon Whitcroft, Internatszögling im englischen Salisbury, wird binnen eines Atemzugs ein anderer. Und findet sich mitten im Getümmel einer Schlacht wieder, die Jahrhunderte zurückliegt.

Verwandlungen, Ortswechsel, Zeitreisen - für so etwas braucht es Literatur. Am liebsten so stringente wie die aus der Feder von Cornelia Funke, dieser Starautorin der deutschen Kinder- und Jugendbuchszene, der Starallüren so gänzlich abgehen. "Geisterritter" heißt ihr neuester Roman, für den sie mal wieder mit leichter Hand eine ganz eigene Welt erschaffen hat. Am nächsten Montag kommt Funke zu einer Lesung im Rahmen des Harbour Front Literaturfestivals in die Zentralbibliothek der Bücherhallen.

Es regnet nahezu unaufhörlich im Salisbury der Geschichte. Das passt zu Jons seelischer Verfassung, hat ihn doch seine Mutter gegen seinen Willen ins Internat gesteckt. Jon ist wild entschlossen, sich nicht einzuleben; lieber sinnt er auf Rache am Freund seiner Mutter, den er nur "den Vollbart" nennt und der seiner Ansicht nach hinter dem Ganzen steckt. Sehr bald allerdings erweisen sich diese Probleme als rührend diesseitig. Statt mit kindlicher Eifersucht muss Jon mit Todesangst fertigwerden. Nachts stehen die titelgebenden Geisterritter unter seinem Fenster und drohen ihm mit dem Tode, oder sie jagen ihn quer über den Hof der Kathedrale. Ihn und niemand anderen. Er hat keine Ahnung, warum. Und weder seine Klassenkameraden noch der Lehrer sehen die Gestalten. Klar, dass Jon fürchtet, für verrückt gehalten zu werden. Er glaubt, sich niemandem offenbaren zu können. Bis Ella an seinen Tisch kommt - wie peinlich, ein Mädchen, er könnte mit ihm gesehen werden! - und andeutet, dass sie weiß, was los ist.

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Funke wäre nicht Funke, hätte sie diese zunächst durchaus übersichtliche Ausgangslage nicht zu einem regelrechten Thriller gezwirbelt. Meisterhaft verbindet sie ihre Themen; ihre Fantasywelt hat nichts Beliebiges. Ängste nicht teilen zu können, darunter haben Kinder zu allen Zeiten gelitten.

Mit viel Witz flicht Funke die Nöte heutiger Teenager in ihre Geschichte. Schließlich ist für einen Elfjährigen nichts so peinlich wie besorgte Anverwandte, da machen Ella und Jon keine Ausnahme, Geisterritter hin oder her. Aus purem Stolz machen sie einige gravierende Fehler. Dabei wäre es manchmal durchaus hilfreich, die übersinnlichen Fähigkeiten von Ellas patenter Großmutter in Anspruch zu nehmen.

Auch was Jon alles für seinen Stiefvater in spe ausspinnt, dürfte manchem patchworkgeplagten Altersgenossen geläufig sein: ob das ein Erpresserbrief aus Zeitungspapierschnipseln ist, Juckpulver im Mundwasser (der Mann ist Zahnarzt) oder Cola auf seinen Zeitschriften (ja, der Mann liest auch noch Fachliteratur).

Funkes Witz bricht immer wieder die Düsternis, die dieses Buch durchzieht. Virtuos schattiert die Autorin die Stimmungen ab. Wenn sie die Kathedrale von Salisbury zum Leben erweckt, könnte man meinen, der gotische Bau sei eine weitere menschliche Figur im Personal dieses Romans, das Funke so mühelos einführt. Und dass der Vollbart nach Art eines Running Gags immer wieder in Jons finsteren Gedanken auftaucht, ist nicht nur sehr komisch, es findet auch kompositorisch seine Rechtfertigung in einer aberwitzigen Drehung der Geschichte, mit der Funke einmal mehr beweist, wie souverän sie die Fäden in der Hand hat.

Mit Funkes Lesung in der Kinderbibliothek der Zentralbibliothek feiern die Bücherhallen ihr 111. Jubiläum. Sie ist exklusiv für 111 Kinder ab zehn Jahren.

Glück brauchen natürlich auch Ella und Jon. Nicht nur zum eigenen Überleben. Sondern um Jons neuem Freund Longspee den lang ersehnten Frieden zu ermöglichen. Dass ein Mensch die Macht hat, einem Geist zu helfen, das kennen wir von Oscar Wildes "Gespenst von Canterville". Doch hier ist es ein Loblied auf die Freundschaft.

Cornelia Funke: Geisterritter. Dressler, 256 S., 16,95 Euro

Lesung: Mo 19.9., 17.30, Kinderbibliothek in der Zentralbibliothek der Bücherhallen (S + U Hauptbahnhof), Hühnerposten 1; www.buecherhallen.de