Aus einer deutschen Animationsschule stammt der Oscar-Kandidat. Finanziert wurde er von ZDF und BBC. In Los Angeles ist er nur Außenseiter.

Es waren die vielleicht schönsten 30 Fernsehminuten des Jahres, als das ZDF an Heiligabend den Kurzfilm "Der Grüffelo" zeigte. Die Adaption des englischen Kinderbuch-Bestsellers ist ein traumhaft schöner Film, und nun geht der Traum weiter: Die Regisseure Jakob Schuh (34) und Max Lang (28) vom Ludwigsburger Animationsstudio Soi sind für den "Oscar" nominiert worden. Die Verleihung ist zwar erst am Sonntag, aber die beiden sind bereits seit einiger Zeit in den USA unterwegs. Allerdings nicht, um schon mal reinzufeiern, wie Lang betont: "Wir touren zusammen mit den anderen Nominierten durch die großen Studios an der Westküste und stellen unsere Filme vor."

Dort treffen sie auf einige alte Bekannte: Die Ludwigsburger Filmakademie, die beide besucht haben, genießt selbst im Ausland längst einen ausgezeichneten Ruf.

Gerade die Absolventen aus dem Animationsbereich sind auch in Amerika sehr gefragt. Die beiden Regisseure betrachten schon allein den Trip in die USA als Geschenk. "Einen Film, den man mit guten Freunden unter oftmals improvisierten Umständen gemacht hat, plötzlich vor vollem Hause im wunderschönen Kino der Pixar-Studios zu sehen: Das ist ziemlich verrückt", sagt Schuh. "Da freut man sich schon sehr über jeden Lacher. Das war die frühe Anreise wert."

Die "Oscar"-Verleihung soll natürlich der Höhepunkt werden. So richtig überrascht waren die beiden von der Nominierung allerdings nicht, schließlich wussten sie, dass es ihr Film unter die letzten zehn geschafft hatte. Trotzdem ist Schuh beeindruckt: "Wenn ich mir ansehe, in welcher Gesellschaft wir uns da befinden, dann ist es für mich ein ziemlicher Knüller, hier zu sein. Das ist sehr ermutigend." Als Favoriten sehen sie ihren "Grüffelo" ohnehin nicht. Am Ende erwarten beide einen Kurzfilm vom Pixar ganz vorn; das Studio setzt mit Filmen wie "Toy Story", "Findet Nemo", "Wall-E" oder "Oben" seit Jahren die Maßstäbe im Animationsbereich. Pixar hat quasi ein Abonnement auf die Auszeichnung für den besten animierten Spielfilm und auch schon diverse "Oscars" für Kurzfilme gewonnen.

Dennoch ist es für die jahrelang praktisch brachliegende deutsche Animationsbranche eine große Ehre, dass "Der Grüffelo" nominiert worden ist. Der Film basiert auf dem von Axel Scheffler illustrierten britischen Kinderbuchklassiker von Julia Donaldson. Die Animation erfolgte im Studio Soi, das Schuh 2002 mit sechs Kollegen gegründet hat. Buch und Film erzählen die Geschichte einer tollkühnen Maus (in der deutschen Version gesprochen von Christian Ulmen). Sie entzieht sich dem Verzehr durch Waldtiere, indem sie kurzerhand den Grüffelo erfindet, ein furchtbares Monster, mit dem sie angeblich verabredet ist. Plötzlich steht das Ungetüm vor ihr; und jetzt hat die gewitzte Maus ein Problem.

Der Film, in dem die weiteren Stimmen übrigens von Heike Makatsch, Otto Sander und Edgar Selge stammen, nutzt geschickt die Leerstellen des überschaubaren Buchs, um die Handlung weiterzuentwickeln und den Raum "zwischen den Bildern" zu füllen. Entscheidend war laut Lang, "dass Buch und Film sich nicht widersprechen". Schuh erklärt den Adaptionsprozess so: "Wir haben das Buch als verkürzte, pointierte Narration betrachtet. Der Film zeigt dann gewissermaßen, wie sich die Dinge tatsächlich zugetragen haben. Schaut man sich das Buch noch mal an, wird man kleine Dinge im Text und in der Illustration entdecken, die im Film eine große Rolle spielen."

Auf den ersten Blick mag es ungewöhnlich sein, dass der Auftrag dieser von BBC und ZDF finanzierten Verfilmung ausgerechnet nach Deutschland vergeben wurde. Aber für den britischen Produzenten Michael Rose stand von Anfang an fest, wem er die Animation übertragen würde. Bereits im Sommer 2003 hat er Schuh das Projekt bei einem Treffen während des Trickfilmfestivals in Annecy beschrieben. "Das Irre ist: Wir hatten damals gerade unser Studium beendet, unser Studio war nur ein paar Monate alt. Michael kannte aber jeden einzelnen unserer Studentenfilme", erinnert sich Schuh. 2007 produzierte er mit Lang eine einminütige Testsequenz, die Rose endgültig überzeugte. Trotz der BBC-Gelder ist "Der Grüffelo" also ein deutscher Film, wie Schuh betont: "Sowohl die Regie als auch die Produktion der Charaktere und Animationen haben in Deutschland stattgefunden." Die Tonaufnahmen haben in London stattgefunden.

Natürlich macht die Nominierung auch amerikanische Produzenten auf die Deutschen aufmerksam. Ob sich daraus Aufträge ergeben, sei aber "wirklich noch nicht abzusehen", sagt Lang. Und Schuh ergänzt: "Im Moment freuen wir uns vor allem darüber, dass der Film von den Kollegen in den großen Animationsstudios ernst genommen wurde. Das ist für ein deutsches Studio schon ein sehr interessantes Ergebnis."