Hark Bohm, 71, ist Schauspieler, Regisseur, Produzent, ehemaliger Professor für Film der Uni Hamburg.

Hamburger Abendblatt:

1. Bei der Oscarverleihung ist dieses Jahr mit "Der Grüffelo" aus Deutschland ein eher unbekannter kurzer Animationsfilm dabei. Überrascht Sie das?

Hark Bohm:

Nein, der deutsche Animationsfilm hat in den letzten Jahren einen Riesensprung gemacht. Der computeranimierte 3-D-Kinofilm "Konferenz der Tiere" ist ein Beispiel. Auch Michael "Bully" Herbig mit "Lissi und der wilde Kaiser" oder die Hamburger Trickcompany erreichen internationale Standards. Außerdem sollten wir uns an die Gebrüder Lauenstein erinnern, die 1990 mit dem sieben Minuten langen - und übrigens saukomischen - Trickfilm "Balance" den Oscar gewonnen haben.

2. Was sagt es über den deutschen Film, dass 2010 kein großer Kinofilm nominiert wurde?

Bohm:

Das ist aus meiner Sicht als Filmemacher zwar traurig, aber keine Krise für den deutschen Film. Im Rennen um den Auslands-Oscar lagen wir Deutschen eigentlich immer ganz gut. Man denke an die Nominierungen für den "Baader-Meinhof-Komplex" oder den Sieg von Florian Henckel von Donnersmarck mit "Das Leben der Anderen". Diese Filme hatten Themen, für die sich die Jury interessierte.

3. Gibt es für deutsche Filme Erfolgsthemen oder -rezepte?

Bohm:

Es gibt ein auffälliges Muster. In Hollywood erfolgreiche deutsche Filme befassen sich entweder mit dem Verhältnis von Nazi-Deutschland zu den Juden oder mit deutscher Geschichte. Das gilt für die beiden genannten und für "Nirgendwo in Afrika", "Sophie Scholl", "Die Blechtrommel" oder "Der Untergang".

4. Die sind bekannt. Den Kinderfilm "Der Grüffelo" kennt vor allem das Fachpublikum?

Bohm:

Bei Kurzfilmen ist das leider normal. In den 70er-Jahren gab es ein Gebot, dass vor jedem Film ein Vorfilm zu zeigen sei, heute läuft dort die Kinowerbung. Kurzfilme kann man nur auf Festivals und in Kinos von Filmliebhabern sehen - in Hamburg im Abaton, 3001 oder im Zeise. Es existiert eine verborgene Kurzfilmkultur, die leider aus den großen Kinos verschwunden ist.

5. Wenn Kurzfilme nur in der Nische laufen, könnte man auf diese Oscar-Kategorie eigentlich auch verzichten?

Bohm:

Das sehe ich nicht so. Ich habe im Sinne der Karriere meiner Studenten die Kurzfilm-Oscars immer ungeheuer begrüßt. Sie sind ein großartiges Sprungbrett, sie lenken eine ungeheure Aufmerksamkeit auf ihn. Mehrere meiner Studenten haben davon profitiert. Außerdem: Egal ob Hans Wilhelm Geißendörfer oder Wim Wenders, die meisten großen Filmemacher haben mit Kurzfilmen angefangen.