Die deutschen Filmschaffenden sind in Schockstarre. Eichingers Tod ist ein furchtbarer Schlag für den Kinofilm in der Bundesrepublik.

Hamburg. Tag zwei nach der Todesnachricht aus Los Angeles. Die deutschen Filmschaffenden sind in Schockstarre. Der unbestrittene Alpharüde der Branche, gefällt von einem Herzinfarkt am Abendbrottisch im Kreise der Familie. Wäre der Rastlose, gerade mal 61 Jahre alt, doch wenigstens am Set oder im Schneideraum zusammengeklappt, dann hätte man den Tod vielleicht irgendwie akzeptiert. "Ich habe zu meinem Trost gehört, dass er mitten beim Essen, ohne dass er eine Ahnung hatte, gestorben ist", sagt der Schweizer Filmproduzent und dreimalige Oscar-Gewinner Arthur Cohn, 83. "Er war der repräsentativste Vertreter der Filmindustrie in Deutschland." Jan Schütte, 53, Direktor der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin, hält Eichinger für den größten und originellsten Filmemacher der deutschen Nachkriegsgeschichte - der einzige von Weltformat: "Mit ihm verliert die deutsche Filmwelt nicht nur einen Produzenten, sondern auch eine eigene Stimme."

Auf Eichingers Schultern lasteten sicherlich 50 Prozent des Erfolgsdrucks einer ganzen Branche, die nicht nur kompliziert ist, sondern auch stärksten Schwankungen ausgesetzt. Doch wenn im Film das Glück und die Katastrophe häufig nur eine Szene auseinanderliegen, braucht es dafür im realen Leben schon mal ein ganzes Jahr. Aber das fühlt sich genauso schrecklich an: War das Jahr 2009 mit Produktionen wie "Wickie und die starken Männer", "Zweiohrküken" oder "Die Päpstin" ein Ausnahmejahr für den deutschen Kinofilm, so stellte das Folgejahr bereits wieder einen Tiefpunkt dar - nur 18,4 Millionen Kinobesucher wollten eine deutsche Produktion sehen, mehr als die Hälfte weniger als im Vorjahr.

Bernd Eichinger hatte seine Anteile an Constantin Film zwar bereits 2006 verkauft, doch für die von ihm gegründete Produktionsfirma produzierte er weiter Filmhits wie "Der Untergang", das perfekt inszenierte Kammerspiel der letzten Tage im Führerbunker.

An der Spitze der einzigen deutschen Filmproduktion von annäherndem Hollywood-Format stehen Bernhard Burgener und Martin Moszkowicz nun sozusagen alleine da. "Mit Bernd verlieren wir einen Freund und Weggefährten, unsere Trauer und den Schmerz kann man nicht in Worte fassen", heißt es in einer Mitteilung von Constantin Film. Doch beide Produzenten gehen davon aus, dass 2011 wieder ein gutes Kinojahr werden könnte. Constantin setzt wie die meisten internationalen Filmproduktionen auf Bewährtes wie die Fortsetzung "Wickie auf großer Fahrt". Kein Wunder, befindet sich die Filmindustrie zurzeit in einer "Storykrise", was sogar absolute Topshots wie David Cameron ("Avatar") selbstkritisch anmerken.

Für Bernd Eichinger, das dürften seine ärgsten Kritiker, die zarter besaiteten Cineasten, bald merken, galt dies nicht. Er kannte die Zutaten für das richtig große Kino und konnte sie - meistens erfolgreich - zusammenmixen. "Lieber Bernd, du hast mich viel gelehrt und mich stets inspiriert", sagte gestern der Hamburger Regisseur Fatih Akin: "Du warst der Größte. Leider hat unsere erträumte Zusammenarbeit nicht geklappt. Das Leben ist kurz. Ich trauere um dich." Wie man für Regisseure und Darsteller den passenden Stoff fand und vor allem auch das Geld besorgte: "Das schaffen wir alle nicht, was der Bernd geleistet hat", sagte Til Schweiger mit tränenerstickter Stimme auf dem roten Teppich der "Diva"-Verleihung. Er ist nicht der Einzige, der fest daran glaubt, dass es in absehbarer Zukunft keinen vergleichbaren deutschen Filmproduzenten mehr geben wird.