Das Handwerk der Provokation mit Erotik und Kitsch beherrscht Jeff Koons perfekt. Er inszenierte sogar die eigene Ehe.

Hamburg. Am 1. Juni 1990 kam es zu einer der spektakulärsten Eheschließungen: Jeff Koons, seines Zeichens aufstrebender Künstler und offensiver Mainstream-Bekenner, ehelichte den Pornostar Ilona Staller. Wäre dieser Kunst-Ehe Dauer beschieden, könnten sie bald feierlich ihre Porzellanhochzeit begehen. Vor dem gemeinsamen Sohn Ludwig posierten sie dann wie ehedem bar aller Scham in altersgerechten Glamoursex-Posen. Aber das Porzellan ist schon 1992 zerbrochen.

Dennoch war die Ehe von Jeff Koons, zeitweilig der weltweit bekannteste lebende Künstler, ein voller Erfolg. Sie sollte und wollte nur eins: der Kunst die große, weite Welt der Stars und Celebrities zu öffnen.

Wenn Koons seinen Sohn als biologische Skulptur bezeichnet, so war sein geistiger Über-Vater eine artifizielle Skulptur, geformt aus Fleisch und Blut: Andy Warhol. Diesem Pop-Künstler war der Hunger nach Berühmtsein zu verdanken - aufgrund seiner oft zitierten 15-minütigen Berühmtheit, die jedem zustehen solle. Warhols bester Schüler: Andy Warhol selbst.

Ende der Siebzigerjahre griff Warhol nach den Sternen: mehr Glamour, mehr Medienresonanz, er wollte die Kunst nach der Kunst, die Geschäftskunst. Warhols Plan ging auf. Bis 1984 stieg sein Populäritatsbarometer in erstaunliche Höhen. Seine Auftritte in Filmserien oder als Model, seine Profession als Herausgeber brachten ihm viele Einträge in die täglichen Klatsch-&-Tratsch-Kolumnen irgendwo zwischen Frank Sinatra, Donald Trump und Brooke Shields. Warhols Streben blieb nicht unbeobachtet.

Anfang der 80er-Jahre betraten in New York junge Künstler die Bühne, die so viel wie möglich vom Kuchen der Berühmtheit abhaben wollten - unter ihnen auch der junge Jeff Koons. Euphorisch gingen sie neue Ehen mit den angestammten Feinden der Kunst ein - Kommerz und Mainstream. So ließ sich Berühmtheit erlangen, aber man konnte sich so auch eines der lästigsten Kriterien der Kunst, der Unterscheidung zwischen Affirmation und Kritik, entledigen. Besonders Koons galt die herkömmliche Kritik als verflacht und von akademischem Interesse getragen.

Was er der in seinen Augen wirkungslosen Kritik entgegensetzte, war der Pakt mit dem Teufel, das Eintauchen in den Mainstream: "Um für immer frei zu sein in der Macht, dem Ruhm, der Spiritualität, der Romanze, befreit im Mainstream, weg von aller Kritik", diktierte er seinem Publikum ins Poesiealbum, um dem Massengeschmack mit der Veredelung des Kitschs zur Kunst zu dienen.

Koons selbst lehnte die Kategorie Kitsch ab. Mit smarter Miene, sanfter, aber nachdrücklicher Stimme pries er die Reinheit seiner hochglanzpolierten und chromierten Luftballondackel aus Edelstahl, seiner gemalten Playmobil-Welten oder überdimensionierten Diamanten. Eine Neverland-Ranch der Kunst, in der jegliche ironische Distanz draußen blieb. Deren Medienwirksamkeit aber für heiß ersehnte Popularität sorgte.

"Künstler", resümierte Koons, "entwickeln irgendwie diese moralische Krise, wo wir uns davor fürchten, in der Welt Wirkung zu erzielen; wir waren die großen Verführer, wir waren die Drahtzieher, und nun haben wir diese wesentlichste Kraft der Kunst aufgegeben, nämlich ihre Wirkmächtigkeit." Mit seiner Serie "Banality" lenkte Koons nicht nur die Aufmerksamkeit der Medien auf sich, sondern auch die Medien selbst. In großen Anzeigen in Kunstmagazinen präsentierte er sich unter anderem als junger Lehrer, der begeisterten Abc-Schülern die Parolen "Beute die Massen aus" und "Banalität als Heiland" auf die Tafel schrieb. Sein Meisterstück aber bestand in der von langer Hand geplanten Ehe mit dem italienischen Pornostar Ilona Staller. Nun bewohnte er nicht mehr die enge Welt der Pop-Künstler, sondern die ungleich größere der Popstars. Die Hochzeit selbst war ein braves Vorspiel zu allem, was die Serie "Made in Heaven" dann als ehelichen Alltag präsentierte. In allen Lagen, in Position drei, nach den Regeln des Kamasutra oder in der Ausübung anderer Praktiken glänzten die frisch vermählten Eheleute in Glas, Porzellan oder in Öl auf Leinwand.

Gerne wäre den beiden der Vorwurf der Pornografie gemacht worden. Doch soll man Gatten die Erfüllung ehelicher Pflichten vorwerfen?

Dennoch, das Reinheitsgelübde, unter das Koons all seine Kunst stellt, wird nicht überall erhört. Koons "Made in Heaven" ist in Museen keinem Besucher unter 18 Jahren zugänglich. Und wirkmächtig, wie Koons seine Kunst gerne sieht, ist sie nur dann, wenn Inhalt und Medienspektakel unterschiedslos zusammenfallen. Schwindet die mediale Aufmerksamkeit, kehrt auch der Inhalt der Kunstwerke wieder in jene Regionen zurück, aus denen er einmal kam.

Die Ausstellung "Pop Life" in der Galerie der Gegenwart der Hamburger Kunsthalle zeigt Werke von Koons, Warhol, Haring, Hirst und anderen. Geöffnet ab Freitag dieser Woche. Infos: www.hamburger-kunsthalle.de