Er hat mit den Regisseuren Martin Scorsese und Rainer Werner Fassbinder gearbeitet. Jetzt gibt er sein reichhaltiges Wissen weiter.

Hamburg. Meryl Streep mag eine der größten Schauspielerinnen ihrer Generation sein, sie zu fotografieren ist nicht einfach. Die Nase. "Meryl Streep hat nur eine gute Seite", sagt Michael Ballhaus sehr respektvoll. In Mike Nichols Komödie "Grüße aus Hollywood" stand er hinter der Kamera, die Schauspielerin davor, er hatte "gewisse Schwierigkeiten, sie zu filmen". Weniger diplomatisch formuliert: Die Nase fiel auf. Ballhaus' Sohn Florian wiederum filmte Streep 2006 in "Der Teufel trägt Prada" als zickige Modechefin, "und er hat sie hinreißend aussehen lassen", sagt Ballhaus. Und lächelt. Er hat die seltene Gabe, zugleich stolz und bescheiden zu lächeln.

Auf die Ausbildung, die Florian Ballhaus von seinem berühmten Vater erfahren hat, die vielen kleinen Tricks ("mit Beleuchtung und Filtern kann man sehr viel machen"), die er während zehn Jahren gemeinsamer Arbeit abgeschaut hat, müssen die Studenten der Hamburg Media School (HMS) verzichten. Nichtsdestotrotz bekommen sie, wovon wohl jeder Kameramann träumt: Lehrstunden vom Meister persönlich. Filmegucken ("Good Fellas", "Gangs of New Yorks", "Departed") mit ausführlicher Interpretationshilfe. Zum Wintersemester 2009/2010 hat Ballhaus die Fachbereichsleitung Kamera für den Masterstudiengang übernommen, heute endet nach zwei Wochen sein erstes Seminar, im Januar folgt die Fortsetzung.

Zwei Wochen Michal Ballhaus, das sind zwei Wochen Anekdoten über die Hollywoodregisseure Martin Scorsese und Francis Ford Coppola, den schwierigen Rainer Werner Fassbinder und den vielleicht noch schwierigeren Schauspieler Jack Nicholson, der beim Dreh von "Departed" aus Liebe zum Regisseur die Regie gleich mit übernahm. In zwei Wochen mit Michael Ballhaus lernen die sechs Kamera-Studenten, dass es in diesem Job nicht nur um schöne Bilder, sondern auch um den Rhythmus, um die dramatische Abfolge geht. Sie lernen, dass manchmal auch die besten Einstellungen nichts wert sind, wenn der Regisseur anderer Meinung ist. Und sie lernen, dass jede Geschichte ein bisschen anders fotografiert sein muss. "Der Stil kommt immer mit der Geschichte", sagt Ballhaus.

Am Anfang seiner Karriere stand eine Fotolehre, später die Arbeit als Kameraschwenker beim Südwestfunk in Baden-Baden - "Learning by doing" hat er sich den Beruf angeeignet. Er drehte 16 Filme mit Fassbinder, 38 weitere in Amerika. Mit Martin Scorseses oscarprämiertem "Departed" hat er seine Laufbahn als Kameramann abgeschlossen - eine Entscheidung, die er keine Sekunde lang bereut hat, auch wenn der letzte Drehtag "ein komischer Moment" war. Wer alles erreicht hat, dem fällt das Abschiednehmen womöglich leichter. Ballhaus jedenfalls strahlt die beneidenswerte Gelassenheit eines Mannes aus, der sich nicht mehr beweisen muss. Seine Bilder sprechen für sich, sie werden bleiben.

Ballhaus ist auch mit 73 Jahren der wissbegierige Mensch geblieben, der er seit jeher war. Er schaut viele Filme, ihn freut die Zusammenarbeit mit dem HMS-Nachwuchs, der hier in zwei Jahren der Kameraausbildung den letzten Schliff verleiht. "Hoch motiviert" seien diese Anfang 30-Jährigen und verfügten über die nötige Lebenserfahrung. "Zum Filmemachen braucht es eine gewisse Lebenserfahrung, das ist ganz wichtig", sagt Ballhaus. Außerdem Flexibilität (jeder Regisseur ist anders) und Einfühlungsvermögen (jedes Ego ist anders). Als "Zen-Meister" hat eine Assistentin den Kameramann mal bezeichnet, und wer seine ruhige, warme Stimme hört, versteht sofort warum.

Eine Karriere wie die von Ballhaus ist heute nicht mehr möglich. Und doch ist es nicht nur ein Vergnügen, sondern auch unbedingt sinnvoll, von einem wie ihm zu lernen. Von einer Karriere, an deren Anfang "Filme, die nicht so toll aussahen" standen und später dann "eine Menge Bilder, die ich machen wollte". Michael Ballhaus sagt, er habe genug schöne Bilder gemacht in seinem Leben - und weil Angeberei ihm so gar nicht behagt, fügt er schnell ein "glaube ich" hinten an. Man muss ihm nicht antworten.