Aktueller geht's kaum: Eine Arbeitslose verliert in Horváths Stück den Anschluss an die Welt. Jana Schulz überzeugt, das Ensemble bleibt schwach.

Hamburg. "Es soll ja noch schlechter kommen", sagt Elisabeth, die Hauptfigur in Ödön von Horváths Tragödie "Glaube, Liebe, Hoffnung". Und sie meint damit die wirtschaftliche Situation. Nicht nur ihre eigene, denn sie ist seit mehr als einem Jahr arbeitslos, sondern die aller "kleinen Leute". Dieser Kreislauf aus Armut und sozialem Abstieg, den Horváth in seinem 1932, nach der Weltwirtschaftskrise, geschriebenen Stück als "kleinen Totentanz" beschrieb, hat heute, inmitten einer Finanzkrise, wieder neue Aktualität.

Glaube, Liebe und Hoffnung, das der Bibel entnommene Motto, sind Kategorien, die in Elisabeths Leben nicht mehr klappen, trotz ihres ewigen Mantras "Ich lasse den Kopf nicht hängen". Nachdem sie sich Geld geliehen hat, das sie nicht mehr abarbeiten kann, weil sie entlassen worden ist, wird sie wegen Betruges verhaftet, kommt ins Gefängnis und mag nach ihrer Entlassung ihrem Bräutigam, einem Polizisten, nicht sagen, dass sie vorbestraft ist. Er findet's heraus und verlässt sie. Elisabeths Freundin Maria sagt einmal: "Ohne Glaube, Liebe, Hoffnung gibt es kein Leben." Recht hat sie. Am Ende wird Elisabeth Selbstmord begangen haben. Verzweifelt, missverstanden und verstoßen von einer Welt, die sie nicht aufnehmen will.

Regisseurin Karin Henkel inszeniert das Drama am Deutschen Schauspielhaus nicht als rühriges Volksstück oder realistisches Sozialdrama, sondern als Solo für Jana Schulz, die ihre Elisabeth im roten Flatterkleidchen einen störrischen doch nicht zu gewinnenden Kampf gegen eine geschlossene, sie verachtende Gesellschaft führen lässt. Die anderen, das sind ein Schupo, die Frau Amtsgerichtsrat, der Oberinspektor oder ein Präparator, die in grau-braunen Hemden und mit mondgesichtigen Masken (Kostüme: Klaus Bruns) das starre System symbolisieren, an dem die entlassene Miederwaren-Verkäuferin zugrunde geht. Die Hohlköpfe wechseln zu verschiedenen Schauspielern, doch Elisabeth, die dringend 150 Mark braucht, um einen Wandergewerbeschein zu bekommen, scheitert an der rigorosen Zurückweisung und Gehässigkeit eines mitleidlosen Systems.

Henkel hat für ihren knapp zweistündigen Abend, der in einem hermetisch geschlossenen Bühnenraum spielt (Bühne: Stefan Mayer), an dem steckbriefartig Hunderte Passbilder von Jana Schulz hängen, eine strenge, auch plakative Form gefunden, die von der spröden und kraftvollen Ausdrucksform von Jana Schulz unterstrichen wird. So gerät alles ein wenig zu deutlich.

Ja, wir wissen, dass auch heute eher Kassiererinnen entlassen werden, weil sie 1,30 Euro falsch bonieren, als Manager, die Millionenboni bekommen, obwohl sie ihre Firma gegen die Wand gefahren haben. Hier springen uns sehr direkt Bilder einer Gesellschaft entgegen, die sich gegen Not verschließt, weil sie Angst hat, ins Prekariat abzurutschen.

Zu Beginn geht Elisabeth ins Wasser und wird gerettet. Am Ende geht sie wieder ins Wasser. Und stirbt. Dazwischen verfolgen wir im Rückblick, wie es dazu gekommen ist. Es ist ein ewiger Kreislauf. Mal singt ein Arbeitslosen-Chor "Why can't we be friends", mal werden Textsequenzen wiederholt. Von jeweils anderen Schauspielern. So soll deutlich werden: Alle behandeln Elisabeth mit der gleichen Herablassung und Verachtung. Doch außer einer stimmigen Regie und der wütenden Kämpferin Jana Schulz, die als Einzige ohne Maske ein Individuum bleibt, kann der Abend nicht wirklich fesseln. Es liegt an der durchweg schwachen Leistung des restlichen Ensembles. Mehr als Stadttheater war von ihnen - mit Ausnahme von Tim Grobe - nicht zu bekommen. Ob mit oder ohne Maske.

Eine Fotostrecke zum Stück sehen Sie unter www.abendblatt.de/kultur-live