Mit “2012“ hat Starregisseur Roland Emmerich die “Mutter aller Katastrophenfilme“ gedreht. Natürlich geht darin die Welt unter.

Berlin. Popcorn, Bier und Apokalypse. Eine Blockbuster-Dreifaltigkeit, für die auch der Fernsehsender Vox erst kürzlich wieder Roland Emmerichs alten "Independence Day" hervorkramte. New York versinkt darin im Inferno, Washington geht's auch nicht lange gold, und der Rest der Welt bangt um die Existenz. Ein gigantisches Raumschiff schwebt über dem Planeten Erde, und ein paar äußerst übel gelaunte Aliens machen sich mit zwischenzeitlich recht passablem Erfolg an das Ende menschlicher Zivilisation - nein, zimperlich geht es da nicht eben zu.

Andererseits ist ja immer alles eine Frage der Perspektive. Angesichts dessen nämlich, was Roland Emmerich der Welt in seinem neuen Film zumutet, ist "Independence Day" praktisch das "Sandmännchen", "Godzilla" harmlos wie der Leselernstrumpf Fu, und "The Day After Tomorrow", immerhin die bildgewaltige Inszenierung der finalen Eiszeit, schmilzt im Vergleich zum putzigen Schneegestöber. Denn "2012", der gestern Abend in Berlin seine Deutschlandpremiere feierte, ist nicht weniger als "die Mutter aller Katastrophenfilme", wie Emmerich selbst ganz unbescheiden verlauten lässt. Und tatsächlich passt die Handlung recht pragmatisch in einen Satz: Diesmal geht wirklich alles kaputt.

Und Emmerich, kalifornisierter Exilschwabe und im persönlichen Gespräch ein zwar höflicher, aber überraschend uncharismatischer Sakko-Typ, ist spätestens jetzt der endgültige Grandmaster of Desaster. "Es ist ganz cool", erklärt er nüchtern seine Zerstörungspassion: "Jemand gibt dir 200 Millionen, und du kannst damit machen, was du willst."

Was er diesmal wollte, beschreibt sein Hauptdarsteller so: "Am Ende hatte ich im Wasser gedreht, im Feuer, im Ascheregen, bei Erdbeben ..., so ziemlich allem, was man sich vorstellen kann", erinnert sich John Cusack an die Dreharbeiten. "Ich habe auch jedes Fahrzeug gesteuert, das man sich vorstellen kann, um jeder Katastrophe zu entkommen, die man sich vorstellen kann. Es war ein bisschen hektisch."

Doch, ja, "hektisch" trifft es. Schuld daran sind die gewaltigen Erdbeben, multiplen Vulkanausbrüche, reihenweise aufbrechenden Erdspalten, formschön aufplatzenden Geysire und himalajahohen Monster-Tsunamis. Unter anderem. Was genau der Auslöser für dieses Feuerwerk ist (irgendwas mit ungünstiger Planetenkonstellation, Mikrowellen in Indien, dem verdammt heißen Erdkern und der daraufhin sich heftigst destabilisierenden Erdkruste), ist fast nebensächlich, um schnell einzusehen: Die Maya (und übrigens auch all diese verrückten Kerle mit ihren "Achtung Apokalypse"-Pappschildern) hatten recht mit ihrer Prophezeiung: Im Jahr 2012 geht die Welt unter.

Also, praktisch übermorgen.

Für die dann noch Anwesenden wird es ungemütlich. Wobei Emmerichs "2012" hier durchaus Service-Gespür beweist. Die besten Überlebenschancen, so lernt der Zuschauer, hat man a) als Milliardär (weil man sich nach den Regeln des Marktes natürlich in eine Arche einkaufen kann, egal wie dick, dumm, juwelenbehängt oder sonst wie unsympathisch man ist), b) als Staatsoberhaupt oder c) als chaotischer, erfolgloser Schriftsteller mit Ex-Frau, pubertierendem Sohn Noah und niedlicher Tochter Lilly, die wegen der verworrenen Familienverhältnisse leider noch ins Bett macht.

John Cusack, den man zum Beispiel aus "Being John Malkovich" kennt, spielt diesen grundguten, grundamerikanischen Familienvater, der mit einem Wissenschaftler (Chiwetel Ejiofor), einem schwarzen US-Präsidenten (Danny Glover - in der Planungsphase vor der Obama-Wahl war noch eine Frau für diese Rolle vorgesehen) und dessen kultivierter Tochter auf der Achse des Guten navigiert. Sie alle ergattern ihren Platz auf einer der von chinesischen Zwangsarbeitern gerade rechtzeitig zusammengelöteten Riesen-Archen, während der Stabschef des Präsidenten sich mit Wahrheiten unbeliebt macht.

Ein Happy End, man ahnt es, geht anders - aber hey, der kleine Noah überlebt, während die Gläubigen in Rom, Ironie des Schicksals, vom Petersdom begraben werden. Mekka übrigens wird im Moment des Untergangs nicht gezeigt. Emmerich fand es übertrieben, "sich für einen Unterhaltungsfilm eine Fatwa zuzuziehen".

Ähnlich übertrieben wäre es wohl, "2012" wegen der Dialoge zu gucken. Die Mutter aller Katastrophenfilme ist naturgemäß kein Arthouse-Kino. Was allerdings an Untergangssuperlativen für die Macher des auch ziemlich apokalyptischen Ökothrillers "Der Schwarm" übrig bleibt, wird spannend. Aber für den steht ohnehin noch kein Starttermin fest. Und wer wollte in Hektik verfallen? Es sind ja noch drei Jahre bis zum Weltuntergang. Reichlich Zeit, um genug Popcorn für die Arche zu bunkern.