“2012“ bedient sich des Geheimrezepts vieler Endzeitfilme und kombiniert bekannte Tatsachen mit überlieferten Mythen zu einer filmischen Bedrohung.

In Hamburg hört man in diesen Tagen oft ein fernes Schnattern und Kreischen: Vogelschwärme ziehen über die Stadt nach Süden. In Apokalypse-Filmen ist das ein sehr, sehr schlechtes Zeichen. Beispielsweise in "The Day After Tomorrow": Da spüren Vögel als Erste die drohende Vereisung der Nordhalbkugel und flüchten.

Das Geheimrezept vieler Endzeitfilme ist, dass sie bekannte Tatsachen mit überlieferten Mythen zu einer filmischen Bedrohung kombinieren. Im Fall von "2012" ist es jetzt einerseits die wissenschaftliche Erkenntnis, dass Sonneneruptionen einen zerstörerischen Effekt auf die Erdkruste und das Klima haben können (und auch immer wieder hatten). Als Mythos werden dazu die sogenannten "Sieben Prophezeiungen" nach dem Langzeitkalender der Maya gereicht: Danach endet "nach 5125 Jahren" am 21. Dezember 2012 der fünfte Sonnen- und Zivilisationszyklus, und zwar mit großen Umweltzerstörungen. Wie durch ein großes Tor träten die Menschen in einen Transformationsprozess ein, in eine Wanderung hin zu mehr Harmonie. Das Datum 21.12.2012 ergibt sich angeblich aus der Umrechnung in den heutigen Gregorianischen Kalender.

Für Regisseur Roland Emmerich ist das aber nur ein gedankliches Konstrukt. Er habe sich von den Maya-Prophezeiungen "bewusst entfernt", sagte er in einem Interview. "Da gibt es 1000 verschiedene Theorien."

Auf eins kann Emmerich aber setzen: Seit jeher sind die Menschen von Prophezeiungen und Weltuntergangsszenarien fasziniert. Seit die "Offenbarung des Johannes", entstanden um 95 nach Christus, als letztes Buch ins Neue Testament aufgenommen wurde, ist die Apokalypse die populärste und wandelbarste Endzeit-Vision in unserer Kultur. Schon die Prophezeiungen des Arztes und Astrologen Nostradamus (1503-1566) - fast alle in der Form von Vierzeilern in einer sehr metaphorischen Sprache - wurden zu ihrer Zeit absolute Bestseller. Mit ihren verrätselten Gefahrenwarnungen gehören sie bis heute zum Standard-Repertoire in Esoterik- und Astrologie-Foren.

Aber nicht Weissagungen, sondern Ängste sind die Grundsubstanz aller Apokalypse-Stoffe. Der US-Regisseur Jack Arnold, der in seinen Filmen sonst eher auf Monster wie "Kiemenmenschen" und Riesenspinnen setzte, beschwor 1953 mit dem 3-D-Film "Gefahr aus dem Weltall" die bösen Folgen einer Meteoritenexplosion in Erdnähe. In den 70er- und 80er-Jahren griffen eine ganze Reihe apokalyptischer B-Pictures die Ängste vor Umweltkatastrophen, Atomenergie oder Krieg auf. In "The Omega Man" (1971) spielt Charlton Heston den vermeintlich letzten Menschen nach einem bakteriologisch geführten Krieg, alle anderen sind zu Vampiren mutiert (die Vampire, die sich "Family" nennen, waren eine Anspielung auf Charles Mansons "Family"-Sekte, die kurz zuvor in Kalifornien fünf Menschen ermordet hatte).

2008 wurde dasselbe Thema mit Will Smith in "I Am Legend" verfilmt - in einem verlassenen, endzeitstillen New York und mit deutlichen Hinweisen auf die tiefe seelische Erschütterung, die die Terroranschläge von9/11 bei den Amerikanern hinterließen.

Die Auslöser für den Weltuntergang im Film sind mit den Jahren immer realitätsbezogener und "wissenschaftlicher" geworden. Wir wissen inzwischen viel genauer, dass wir auf einem hochriskanten Planeten leben und von oben wie von unten permanent von Gefahren umzingelt sind. Während in "Dantes Peak" (1997) und "Armageddon" (1998) Vulkanausbrüche und Asteroideneinschläge in die Apokalypse führten, war "The Day After Tomorrow" (2004) der erste große Kino-Blockbuster des drohenden globalen Klimawandels.

Seit dem deutschen RTL-Zweiteiler "Vulkan" mit Heiner Lauterbach und Ivonne Catterfeld im Oktober wissen wir nun auch, dass es in der Eifel schlafende Vulkane gibt, die statistisch alle 13 000 Jahre ausbrechen und es irgendwann wieder tun könnten. Immerhin sahen 6,59 Millionen Zuschauer den zweiten Teil des TV-Events (20,6 Prozent Marktanteil), was an manchen "Tatort" heranreicht.

Im Kern ist die Zerstörung der vertrauten Welt in Apokalypsefilmen aber nur Mittel zum Zweck: Es geht um die Überlebensfähigkeit des Menschen.

Meist ist es eine versprengte Gruppe, die nicht aufgibt, die rücksichtslose Egoisten überwindet, die gerade in Not, Feuer, Krankheit oder Flutwellen ihre besten Eigenschaften mobilisiert. Auch in "2012" appelliert einer der "Guten": "Wir dürfen nicht unsere Menschlichkeit verlieren!" Der Weltuntergang ist, genau besehen,eine Besserungsanstalt.