Als Chef der Plattenfirma setzt Medienmanager Rolf Schmidt-Holtz auf neue mobile Musikangebote.

Hamburg. Plötzlich ist da dieses Geräusch. Es kommt aus der hinteren Hälfte des Raums - dort, wo der Schreibtisch steht - und klingt wie ein altersschwacher Motor. Irgendjemand muss ihn gerade angeworfen haben. Aber kann das sein? Hier im fünften Stock eines Bürohauses in den Hohen Bleichen?

Nein, das ist unmöglich. Und tatsächlich entpuppt sich das Motorengeräusch als Klingelton des Handys von Rolf Schmidt-Holtz. Es ist nicht irgendein Motor, sondern der eines Traktors des Baujahrs 1951, der einem Nachbarn aus seinem Geburtsort im fränkischen Martinsreuth gehört.

Man könnte meinen, der 61-Jährige habe den Anruf bestellt, um seine Heimatverbundenheit unter Beweis zu stellen. "Ich halte mich für absolut bodenständig", hatte er kurz zuvor gesagt. Das ist erstaunlich, da Schmidt-Holtz seine fränkische Heimat im Alter von 20 Jahren verlassen hat. Nach seinem Jurastudium machte er Karriere als Journalist: Er war Chefredakteur von WDR und "Stern".

In den 1990er-Jahren wurde Schmidt-Holtz Medienmanager: Er saß in den Vorständen von Gruner+Jahr und Bertelsmann, fügte die TV-Beteiligungen des Gütersloher Medienkonzerns zur RTL Group und bereitete die Fusion der Musikfirmen BMG und Sony Music vor. Heute ist er Chef der Sony Music, in der die einst Bertelsmann gehörende BMG aufging.

Als Herr dieses weltweit operierenden Musikkonzerns mit Stars wie Beyoncé, AC/DC, Shakira und Alicia Keys ist er stets auf Achse: heute New York, morgen London, übermorgen Tokio. So einer will bodenständig sein?

Ein Indikator dafür, dass er es doch ist, könnte sein Hamburger Büro sein. Schmidt-Holtz' offizieller Dienstsitz ist New York. Hamburg ist für Sony Music eigentlich kein bedeutender Standort.

Und doch schlägt das Herz des Musikkonzerns, der mit einem Marktanteil von 21 Prozent der zweitgrößte der Welt ist, etwa eine Woche im Monat in den Hohen Bleichen. Kaum einer weiß das. Wenn von Hamburger Medienmanagern die Rede ist, kommt niemand auf den Namen Schmidt-Holtz - obwohl er für 2,25 Milliarden Euro Umsatz und 5000 Mitarbeiter verantwortlich ist.

"Seit meiner Zeit beim ,Stern' ist Norddeutschland unser neues Zuhause", sagt der Chef von Sony Music. Deshalb arbeitet er, wann immer es möglich ist, in seinem Hamburger Büro. In Pogeez, einem Dorf nahe Ratzeburg, hat er sich mit seiner Familie niedergelassen. Hier praktiziert seine Frau als Homöopathin. Sein Sohn studiert in Hamburg Medizin.

Schmidt-Holtz arbeitet in einer Branche, der es schlecht geht. Die Musikindustrie hat auf die Herausforderungen des Internet noch keine Antwort gefunden. Die Musikpiraterie macht ihr zu schaffen. Die Umsätze sind rückläufig.

Sony Music ist da eine Ausnahme. Der Konzern profitiert davon, dass nach dem Tod von Michael Jackson, der auch bei Schmidt-Holtz' Firma unter Vertrag stand, sich dessen Platten wie geschnitten Brot verkaufen. Allein wegen des Jackson-Effekts werden die Erlöse dieses Jahr über denen von 2008 liegen. Zudem setzt das Unternehmen auf umsatzschwache, aber hochprofitable neue Geschäftsfelder wie Merchandising und Konzertmanagement.

Schmidt-Holtz ist vor der Zukunft der Branche nicht bange: "Bald werden über eine Milliarde Menschen Musik mit ihrem Handy hören können", sagt er. "Wenn es uns gelingt, nur einem Drittel von ihnen ein attraktives Musikangebot für drei Dollar pro Monat zu verkaufen, kommen wir pro Jahr auf einen Umsatz von knapp zwölf Milliarden Dollar. Damit wäre die Musikindustrie gerettet und würde wieder wachsen." Seine Augen leuchten.

Der Visionär Schmidt-Holtz war, als er vor acht Jahren bei BMG anfing, ein Branchenneuling - für ihn eine vertraute Situation. Er hatte kaum Ahnung von Printjournalismus, als er zum "Stern" kam. Und er kannte das Fernsehen nur aus der Warte des Journalisten, als er begann, die RTL Group aufzubauen. "Ich habe das Landen immer beim Fliegen gelernt", sagt er. Sein Vorbild ist der gerade gestorbene Bertelsmann-Patriarch Reinhard Mohn: "Er hat mir sehr früh große unternehmerische Verantwortung gegeben." Schmidt-Holtz hält es mit seinen Nachwuchsführungskräften ebenso.

Eigentlich hatte er Sony Music nach der Fusion mit BMG schon verlassen. Sie haben ihn 2006 zurückgeholt. Sein Vertrag läuft noch bis Ende 2010. Er wird wohl noch seinen Nachfolger einarbeiten. Dann ist Schluss. "Das viele Fliegen schlaucht", sagt er.

Nach dem Gespräch lädt Schmidt-Holtz seinen Gast noch in den Edel-Imbiss "Kaiserwetter" in der Bleichenbrücke ein. Er gehört seiner 25-jährigen Tochter. Der Manager strahlt, als er sie sieht. "Jetzt wissen Sie", sagt er, "warum ich so gerne in Hamburg bin."