Ein Gespräch über alte Lieben, Lesegewohnheiten und den hoffnungslosen Versuch, möglichst viele Bücher aufzubewahren.

Hamburg. Elke Heidenreich moderierte Talkshows und Hörfunksendungen, sie schreibt journalistische Beiträge, Opernlibretti und Erzählungen und war als schnoddrige Schlachtersgattin die Comedy-Figur Else Stratmann. Am bekanntesten aber ist sie mit ihrer Sendung "Lesen!" geworden, in der sie fünf Jahre lang im ZDF literarische Neuerscheinungen präsentierte. Jetzt hat Heidenreich mit ihrem Ex-Mann Bernd Schroeder einen Ehe-Roman geschrieben, "Alte Liebe", und sie gibt nun eine auf Musik spezialisierte Edition heraus. Zu beiden Anlässen wird sie nach Hamburg aufs Harbour Front Festival kommen.

Hamburger Abendblatt: Sie haben Ihren Roman "Alte Liebe" mit Bernd Schroeder geschrieben, mit dem Sie schon lange nicht mehr verheiratet sind.

Elke Heidenreich: Doch. Wir sind nicht geschieden, das werden wir auch nie sein. Wir wohnen nur nicht mehr zusammen. Wir waren 27 Jahre zusammen, 25 davon sehr, sehr glücklich verheiratet. Dann hatte ich das Gefühl, es gibt noch mehr im Leben, als Ehefrau zu sein. Wir gehen heute viel netter miteinander um als damals. Wir haben seit 1970 ein gemeinsames Konto. Bis heute. Alles, was wir verdienen geht auf dieses Konto. Wir haben uns in 40 Jahren nicht eine Sekunde über Geld gestritten. Seit 2006 bin ich mit jemand anderem zusammen, einem Opernkomponisten. Bernd hat auch eine sehr nette Freundin mit Kind. Wir alle sind sehr gut miteinander, kochen zusammen, fühlen uns füreinander verantwortlich. Es war mir vorher zu eng. Jetzt ist es groß. Und schön.

Abendblatt: Da leben Sie ja die "Alte Liebe" direkt aus. Nun haben Sie auch noch zusammengearbeitet?

Heidenreich: Es war eine so schöne Arbeit. Am Ende lagen wir uns heulend in den Armen. Es ist nicht unsere Geschichte, aber es hat viel mit uns und unserem Temperament zu tun. Seine Ruhe, sein Jähzorn, meine Unstetigkeit und dass ich immer alles besser weiß, das ist alles in unserem Buch.

Abendblatt: Kommen wir zum Thema Lesen. Wann legen Sie ein schlechtes Buch weg?

Heidenreich: Manchmal weiß ich schon zu Beginn, dass mich das Thema nicht interessiert, etwa wenn es um eine Sekretärin geht, die mit ihrem Chef wegfährt. Dann gibt es Autoren, die ich liebe, von denen ich alles lese und dann oft enttäuscht werde. Per Olov Enquist ist so ein Fall. Auch mit Tellkamps "Der Turm" oder Julia Francks "Die Mittagsfrau" habe ich mich schwergetan. Generell gebe ich einem Buch eine Stunde oder 60 Seiten. Wenn ich merke, ich komme nicht rein, dann lege ich es weg. Manchmal bin ich auch das Lesen leid. Aber dann kommt wieder etwas ganz Schönes wie Jonathan Frantzens "Die Korrekturen". Da lese ich 800 Seiten in drei Tagen. Und bin glücklich.

Abendblatt: Sie können geradezu schwärmerisch Bücher empfehlen. Aber auch in der Literatur gibt es unterschiedliche Geschmäcker.

Heidenreich: Natürlich kann ich viel besser Tipps geben, wenn ich die Menschen kenne, denen ich etwas vorschlage. Und Geschmack hängt immer mit der Biografie des Lesers zusammen. Ich habe mich beispielsweise immer sehr für Mutter/Töchter-Bücher interessiert. Um herauszubekommen, was zwischen meiner Mutter und mir schiefgelaufen ist. Unser Verhältnis war extrem schlecht. Wir haben uns erst sehr spät ausgesöhnt. Ich bin mit 15 Jahren in eine Pflegefamilie zu einem Pfarrer gekommen. Das war das klassische evangelische Pfarrhaus: kühl, aber sehr offen und gebildet.

Abendblatt: Es gibt aber wohl ein paar Bücher, die man wirklich jedem empfehlen kann.

Heidenreich: Nennen Sie mal eins.

Abendblatt: "Fegefeuer der Eitelkeiten" von Tom Wolfe. Liebesgeschichte, Aktienbetrug, Politikerwahlkampf, das ist heute so aktuell wie vor 20 Jahren.

Heidenreich: Tolles Buch. Ich nenne gern Marlen Haushofers "Die Wand" und Christa Wolfs "Kein Ort. Nirgends". Es gibt viele wunderbare Autoren, die Wolf, Woolf oder Wolfe heißen. Bei W passt bei mir nichts mehr ins Regal.

Abendblatt: Der Buchstabe S ist bei mir komplett überfüllt.

Heidenreich : Schrecklich. Autoren mit R und M kann ich auch nicht mehr einordnen. Ich hab mich mit Bernd so geeinigt, dass er alle Klassiker zu sich stellt und ich alles mit Beginn des 20. Jahrhunderts nehme. Obwohl: Schiller hab ich auch. Schiller ist meine große Liebe. Ich habe mir immer ein großes bücherfreies Zimmer gewünscht, in dem ich lesen kann. Und was habe ich? Ein kleines, verwinkeltes Häuschen, in dem in jedem Zimmer Bücher stehen. Für jedes renne ich drei Etagen rauf und runter. Na ja, es hält fit.

Abendblatt: Wie sortieren Sie aus?

Heidenreich: Ich kann mich inzwischen ganz gut trennen. Ich bin froh über jede leere Wand, an die ich ein Bild hängen kann. Bücher, die ich nie mehr lese, bekommt eine Stadtteilbibliothek im Bergischen Land. Die kommen dreimal im Jahr mit einem Lastwagen und holen alles ab. Krankenhäuser, Gefängnisse, Jugendheime bekommen auch Bücher von mir. Belletristik, die ich aufbewahre, zieht sich über zwei Etagen. In meinem Schlafzimmer steht Lyrik, im Flur steht Lustiges, in einer Ecke Kinderbücher und ganz oben im Haus Sachbücher.

Abendblatt: Es heißt, Sie haben vier große Leidenschaften: Lesen, Opern, Reisen und Katzen. Woran haben Sie am meisten Spaß?

Heidenreich: Ich lese sehr viel einsam zu Hause. Da ist nichts schöner als die Gesellschaft einer klugen Katze. Literatur ist mein Beruf, den ich sehr gerne ausübe, Oper ist Seelennahrung. Ich reise eigentlich nicht gerne, habe aber mit dem Fotografen Tom Kraus viele Reisereportagen gemacht, um die Welt kennenzulernen. In den Ferien auf dem Liegestuhl herumzuliegen, das mag ich nicht. Da hab ich es zu Hause schöner.

Elke Heidenreich und Bernd Schroeder lesen am 13. 9. im Schmidts Tivoli, 14 Euro (fast ausverkauft). Am 19.9. präsentiert sie mit Günther Freitag "Wörter und Töne", 18 Uhr, Gruner+Jahr, 12 Euro