Irgendwann knipsen sie versuchsweise im Foyer von Gruner + Jahr das Licht aus. Nur ganz kurz; vielleicht, um für ein düsteres Ambiente zu sorgen. Vorne, auf einer kleinen Bühne, lesen Starautor Daniel Kehlmann ("Die Vermessung der Welt") und Kritiker Joachim Kalka Furcht Erzeugendes aus Horrorklassikern. Die gelten ja gemeinhin als poetisch minderwertige Arbeiten. Obwohl Verfasser von Hochliteratur von den Auflagen eines Stephen King nur träumen können. Der US-Horrorkönig diente bei dieser Lesung auf dem Harbour Front Literaturfestival übrigens nur als Genre-Chiffre, erst am Schluss kam er zu seinem Recht. Vorher wurden die Großen vorgestellt: H.P. Lovecraft, Algernon Blackwood, Arthur Machen. Der Waliser Machen gilt King als der beste Autor aller Zeiten. Die Geschichte des Jungen, dem eine Erscheinung im Wald einen beinah namenlosen Schrecken einjagt, bezeugt die so simple wie gekonnte handwerkliche Gestaltung einer Horrorgeschichte. Der Leser erfährt nicht, wen der Knabe in den Wäldern sah - war es wirklich nur ein Mann? -, aber er verfolgt gebannt, wie jener im Wahnsinn versinkt. Die Leerstellen sind es, die eine Geschichte gut machen; was grundsätzlich wahr ist, gilt erst recht für das Genre des Horrors. Die Handlungen und Szenen, die auf eine Katastrophe oder eine horrible Erscheinung hinführen, sind großartig, die Klimax selbst oft grell, peinlich. Kehlmann: "Würde King mehr weglassen, dann gehörte sein Werk zur Weltliteratur."