Der Flame geht mit gleich fünf Inszenierungen in die neue Saison. Auch ein Stück über die Kennedys ist dabei.

Hamburg. Wenn auf der Thalia-Probebühne in Ottensen plötzlich lautes Möwengekreische anhebt, liegt das weniger an der Elbnähe. Sondern an Luk Perceval. Es ist sein Handyklingeln. "Ich will mich doch wenigstens manchmal fühlen wie auf einem Schiff", sagt der flämische Theatermacher und schiebt seine Hafenarbeitermütze (dunkelblau, Wolle, gerollte Ränder) aus der Stirn. Perceval, der in Hamburg vor genau zehn Jahren mit dem 12-stündigen Theatermarathon "Schlachten!" am Schauspielhaus Bühnengeschichte schrieb, ist als Sohn einer Schifferfamilie auf dem Wasser aufgewachsen; eine gewisse kernige Wetterfestigkeit ist ihm durchaus anzusehen. Und man freut sich sofort heftig für den künftigen Oberspielleiter des Thalia-Theaters, dass er jetzt von Berlin, wo er zuletzt an der Schaubühne gearbeitet hat, endlich nach Hamburg ziehen darf. Er passt hier so viel besser her.

Während sein Vorgänger Andreas Kriegenburg, der dem scheidenden Thalia-Intendanten Ulrich Khuon nach Berlin folgt, nebenan schon für seine Einstands-Premiere am Deutschen Theater probt, entstehen bei Luk Perceval in der Gaußstraße die ersten Szenen für "The truth about the Kennedys". Mit der Uraufführung, für die noch kein fertiger Text vorliegt und mit der unter anderem die Schauspieler Hans Kremer und Bibiana Beglau ans Thalia zurückkehren, eröffnet Perceval am 4. September (nach einem ebenfalls von ihm konzipierten interaktiven Hamletprojekt am Vortag) die neue Intendanz von Joachim Lux.

Der verspricht, es werde "ziemlich heftig" mit Luk Perceval, "aber in einem guten Sinne." Gleich mit fünf Inszenierungen nämlich geht der Belgier in die neue Thalia-Saison. Zum Auftakt lernt er einen Teil seiner potenziellen Theaterbesucher persönlich kennen: In "2beornot2be" darf sich jeder, der Lust hat, 150 Sekunden mit dem berühmtesten Monolog der Theatergeschichte auseinandersetzen. Auf der Bühne. "Auch der Schlachter von nebenan." Hamlet demokratisch, sozusagen. Ästhetisch organisiert werde das Experiment keinesfalls, erklärt Perceval: "Ich beleuchte das nur. Mehr nicht."

Der Wunsch nach Nähe und Unverfälschtheit ist einerseits das Risiko dieses Abends, andererseits durchaus Teil des Gesamtkonzepts der neuen Thalia-Leitung. Die träumt nicht bloß von treuem Publikum, sondern von einer "Community", die sich auch auf der dann überarbeiteten Thalia-Website austauschen und im Thalia-Zelt selbst aktiv werden soll.

An "2beornot2be" schließt sich Percevals Kennedy-Projekt an, zu dem der Regisseur von seinem Vater inspiriert wurde - der hatte ein Faible für Verschwörungstheorien. "Man muss in einer neuen Stadt mit etwas beginnen, worin wirklich Herzblut liegt", findet Perceval. Und zeigt sich zuversichtlich, dass die Zuschauer ihm folgen: "Je nördlicher das Publikum, desto begeisterter." Sein "Othello", der vom 13. September an mit Julia Jentsch und Thomas Thieme in den Thalia-Spielplan übernommen wird, wurde an den Münchner Kammerspielen zunächst heftig abgelehnt - in Berlin aber ebenso heftig gefeiert. Und Hamburg liegt noch nördlicher. Hier kreischen sogar echte Möwen.

Gute Aussichten also für Luk Perceval. Bloß "Ilonda" fehlt ihm noch. Eine echte Schönheit. Leider auch ein Sanierungsfall. "Sie kommt im September aus Berlin", sagt Perceval und fährt sich über die seemännischen Bartstoppeln. "Hoffentlich." Die "Ilonda" ist sein Schiff.