In Wandsbek sollen Gewerbeflächen umgewandelt werden, um Platz für Häuser zu schaffen. 230 Betriebe sind Kandidaten dafür.

Hamburg. Der Wandsbeker FDP-Fraktionschef Klaus Fischer hat Hamburgs Umgang mit Gewerbeflächen insbesondere im Bezirk Wandsbek scharf angegriffen. Die geplante systematische Umwandlung von bestehenden Gewerbeflächen in Wohngebiete müsse mit der Ausweisung neuer Gewerbeflächen einhergehen. Sonst bestehe die Gefahr, dass der Wohnungsbau und der Bedarf an Gewerbeflächen gegeneinander ausgespielt würden. Laut Handelskammer sind 230 Betriebe auf 12,7 Hektar Fläche in Wandsbek potenzielle Umwandlungskandidaten.

Entsprechend kritisch äußerte sich der Abteilungsleiter Stadtplanung in der Handelskammer Hamburg, Jan-Oliver Siebrand: "Im Bezirk Mitte und im Hamburger Süden haben wir keine Not, aber die Bezirke Wandsbek, Eimsbüttel und Nord sollten nennenswert neue Gewerbeflächen ausweisen", sagte Siebrand dem Abendblatt.

Wandsbeks Bezirksamtsleiter Thomas Ritzenhoff sagte, man wolle "jede Einzelfläche genau ansehen, gegebenenfalls auf die Grundeigentümer zugehen und fragen, ob Interesse an einer Umwandlung besteht". Bei eventuellen Betriebsverlagerungen werde das Amt helfen. Die rot-grüne Koalition im Bezirk hat jetzt ein Gewerbeflächenkonzept verabschiedet. Es geht auf den Wohnungsbaupakt der Bezirke mit dem Senat zurück, nachdem die Bezirke sich 2011 verpflichtet hatten, Wohnungsbauflächen auszuweisen.

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Die geplante Umwidmung von Gewerbe- in Wohnungsbauflächen ist mit einer Steigerung des Grundstückswertes verbunden. Laut Bezirk werden im Schnitt 270 Euro pro Quadratmeter für Gewerbe und 306 Euro für Wohnen gezahlt. "36 Euro Differenz? Zu wenig", sagt Fischer, "da ist wohl geschickt gerechnet worden." Die Handelskammer geht von einem durchschnittlichen Bodenpreis von "höchstens 150 bis 200 Euro für Gewerbe" aus, was laut Siebrand in für Wohnungsbau interessanten Lagen "schnell zu einer Verdreifachung des Bodenwertes" führe. Dieser spekulative Aspekt könne die derzeit noch schleichende Erosion an Gewerbeflächen beschleunigen.

"Wer keinen Nachfolger für seinen Betrieb hat, wird sich kaum dagegen wehren, wenn ihm sein Abschied vergoldet wird", sagte FDP-Fraktionschef Fischer. Die Flächen seien dann aber für die Gewerbeansiedlung und damit für die Ansiedlung künftiger Steuerzahler verloren. Stehen schützenswerte Interessen von Anwohnern und Gewerbe gegeneinander, bewerten die Richter Anwohnerinteressen fast immer höher. Ein Wohnblock im Gewerbegebiet schafft also schon kraft seiner Existenz Veränderungsdruck.

Fischer: "Die Stadt bräuchte nach Bedarfsprognosen ihres eigenen Gutachtens von 2011 jährlich 25 Hektar Gewerbefläche, vergibt aber nach eigenen Angaben derzeit nur 12,3 Hektar im Jahr. Jede zweite Anfrage kann also nicht bedient werden." Siebrand nannte sogar einen Gewerbeflächenbedarf von 50 Hektar unter der Prämisse, dass die Stadt jährlich um 10 000 Einwohner wachse. Fischer sprach von einer "wirtschaftsfeindlichen Flächenpolitik".

Rainer Schünemann, SPD-Sprecher für Stadtplanung in Wandsbek, hält dagegen: "Uns ist nichts darüber bekannt, dass etwa in Wandsbek reihenweise Ansiedelungsersuchen von Gewerbebetrieben abgewiesen werden mussten. Außerdem müsste es auch der FDP klar sein, dass Wandsbek keine größeren Flächenreserven für die Ausweisung neuer Gewerbegebiete hat." Derzeit verfüge Wandsbek aber über 19,4 Hektar (194.000 Quadratmeter), um Anfragen von Betrieben bedienen zu können. "Es brennt nicht", sagte Schünemann, "es ist nicht mal warm." Fischer dagegen rechnete die 19,4 auf sieben Hektar herunter. "In dem Konzept steht, dass es von den 19,4 Hektar 9,4 Hektar erst in zwei bis drei Jahren gibt, dass 0,8 Hektar reserviert und 2,2 Hektar in Privatbesitz sind."

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FDP und Handelskammer fordern, für die verloren gehenden Gewerbeflächen Ersatz auszuweisen. "Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Einwohnerzahl und Gewerbeflächen, wenn denn nicht nur Rentner zuziehen sollen", sagte Fischer.

Die CDU hält die FDP-Forderungen für überzogen. Der CDU-Bezirksabgeordnete Sören Niehaus sieht aber "die Gefahr, dass das flächenreichere Umland die Arbeitsplätze und die Gewerbesteuereinnahmen abzieht". Bezirksamtsleiter Ritzenhoff sprach von einem "Spagat, der nur im Einzelfall lösbar wäre". Ersatz für die verloren gehenden Gewerbeflächen müsste hauptsächlich durch Recycling von "Bretterzaunparkplatzflächen", also Brachen, erreicht werden. Grünen-Fraktionschefin Susanne Zechendorf sieht keine problematische Konkurrenz zwischen Wohnen und Gewerbe. "Man guckt eben. Aber Konkurrenz ist das nicht."