Hermann Gmeiner sah die große Not elternloser, vernachlässigter Kinder und sie ließ ihn nicht mehr los. In den SOS-Kinderdörfern gab er vielen der Verlassenen ein neues Zuhause.

Hermann Gmeiner hat die Not der Waisenkinder nicht tatenlos ansehen können. Seine Idee, ihnen eine Familie zu geben, ist ebenso genial wie einfach. Gerade weil sie so unmittelbar einleuchtend ist, hat sie immer mehr Unterstützer gefunden. Sie wurde zu einem Muster der Menschlichkeit." So lobte Alt-Bundespräsident Roman Herzog den Gründer der SOS-Kinderdörfer. Und er war nicht der Einzige, der das Wirken des Kinderdorf-Erfinders bewunderte. 146 Ehrungen und Auszeichnungen erhielt Hermann Gmeiner für seine Arbeit, viele prominente und mächtige Persönlichkeiten besuchten seine Kinderdörfer. Der Bergbauernsohn aus dem Vorarlberg, der in diesem Jahr 90 Jahre alt geworden wäre und vor 60 Jahren das erste SOS-Kinderdorf gründete, schaffte für Tausende von Kindern ein Zuhause und ein menschenwürdiges Leben.

Doch was trieb den Vater der SOS-Kinderdöfer zu seinem unermüdlichen Engagement? In der neuen Biografie "Für die Kinder dieser Welt" schaut Autor Claudio J. Honsal auf den Menschen Hermann Gmeiner. Geboren wurde er am 23. Juni 1919 als fünftes von neun Kindern in Alberschwende im Westen Österreichs. Als er fünf Jahre alt war, starb seine Mutter an einer Lungenentzündung. "Ich kann mich nur noch dunkel an sie erinnern. Doch ich glaube, dass ihr Einfluss auf die Bildung meiner Seele überaus groß war. Sie war eine gute Frau und noch bessere Mutter", hat Hermann Gmeiner später über sie gesagt.

Die älteste Schwester Elsa wurde zur Ersatzmutter für die Geschwister, gemeinsam bewältigten die Halbwaisen die schwere Situation. Schon hier lässt sich ein Schlüsselerlebnis für die spätere SOS-Kinderdorf-Idee erkennen. Weitere sollten folgen.

1940 wurde der Gymnasiast in die Wehrmacht eingezogen. Kriegserlebnisse, Verwundungen und Gefangenschaft stärkten die sozialen Gedanken des gläubigen Katholiken und die Absicht, Gutes zu tun. Nach dem Krieg holte er das Abitur nach und begann in Innsbruck ein Medizinstudium, das er mit Nachhilfestunden finanzierte. Das Schicksal eines hungernden zwölfjährigen Jungen, der ihn eines Abends im zerbombten Innsbruck ansprach, bewog Gmeiner, konkret zu helfen. Um verwahrlosten und ausgestoßenen Jugendlichen wieder Halt zu geben, baute er eine katholische Jugendgruppe auf, er befasste sich auch mit Pädagogik, sah sich Heime und Erziehungsanstalten an. Aus den Erkenntnissen und eigenen Erfahrungen entstand schließlich die Kernidee der SOS-Kinderdörfer: Jedes Kind soll eine verlässliche Bezugsperson haben, eine Frau, die sich wie eine Mutter um fünf bis neun Kinder kümmert. Wie eine normale Familie leben sie zusammen in einem Haus. Mehrere Häuser bilden ein Dorf, das von einem Dorfleiter verwaltet wird. Leibliche Geschwister kommen zusammen in eine Familie. "Ein Kind ohne Eltern ist ein kleines hilfloses Menschlein auf einem sinkenden Schiff. Es sehnt sich nach einem Platz, wo es zu Hause sein kann. Wir dürfen keine Zeit versäumen, solchen Kindern, die am Rande unserer Gesellschaft herumirren, Verständnis entgegenzubringen und sie wieder in unserem Herzen aufzunehmen", war Hermann Gmeiner überzeugt.

Er brach sein Studium ab, arbeitete mit letzten Ersparnissen an der Umsetzung seines Konzeptes. Mit geschickten Strategien für Spendenaufrufe, überzeugten Mitstreitern und einem enormen Durchhaltevermögen gegenüber allen Anfeindungen schaffte Gmeiner es schließlich, 1946 den Grundstein zum ersten SOS-Kinderdorf in Imst in Tirol zu legen. Und sein Konzept zeigte Erfolge. Es entstanden mehrere Dörfer in Österreich, schließlich in Deutschland und Europa. Ab 1960 breitet sich das soziale Privatwerk in Asien, Afrika, Lateinamerika aus.

Seine eigenen Belange stellte der Kinderdorf-Vater hinten an. Er blieb unverheiratet und kinderlos. Aber er war immer stolz auf die vielen Kinderdorf-Kinder. Und durch die Einrichtungen verbesserten sich in vielen Ländern auch die sozialen Stellungen, etwa der dort arbeitenden Frauen. Das Motto "Helft den Kindern und ihr helft der Welt" wirkte auf breiter Ebene.

1986 starb Hermann Gmeiner mit nur 66 Jahren an Krebs. Sein Nachfolger wurde der einstige Kinderdorfzögling Helmut Kutin.

Zum Weiterlesen: Claudio J. Honsal "Für die Kinder dieser Welt. Hermann Gmeiner: Der Vater der SOS-Kinderdörfer". Kösel Verlag, 17,95 Euro