Bei Gegnern und Befürwortern kommt es zu Anfeindungen wegen zerstörter Plakate und Elternbriefen, die an Schulen verteilt wurden.

Hamburg. Sechs Wochen vor dem Volksentscheid erreicht der Streit zwischen Gegnern und Befürwortern der Schulreform eine neue Eskalationsstufe: An mehreren Hamburger Schulen kursieren Elternbriefe, mit denen Schulleiter, Lehrer und Elternräte aus beiden Lagern auf Stimmenfang gehen.

Der Initiative "Wir wollen lernen" wurde eine Rundmail an 18 Schulleiter zugespielt - angehängt ein Musterbrief an die Klassenlehrer, der die Eltern auf Deutsch und Türkisch aufforderte, beim Volksentscheid für die Primarschule zu stimmen. Entworfen hat ihn der Schulleiter eines Bergedorfer Gymnasiums. Gleichzeitig präsentierte die Initiative einen Brief, der von einer Lehrerin der Schule Heidhorst bereits verteilt worden war.

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"Man muss davon ausgehen, dass die Schulleitung die Rundmail an die Klassenlehrer ihres Kollegiums zur weiteren Versendung an die Eltern weitergegeben hat", sagt Walter Scheuerl, Sprecher der Reformgegner-Initiative "Wir wollen lernen". "Es ist eine schwere Dienstpflichtverletzung, wenn Lehrer und Schulleiter den neutralen Raum Schule in ihrem Sinne und im Sinne von Senatorin Christa Goetsch politisieren. Offenbar fürchten die Protagonisten nicht einmal mehr, dafür von der Dienstherrin zur Rechenschaft gezogen zu werden."

Die Schulbehörde hatte nach eigenen Angaben erst gestern durch Medienanfragen von der brisanten Sache erfahren. "Nach Prüfung des Sachverhalts haben wir die Kollegen aufgefordert, den Brief zurückzuziehen", sagt Brigitte Köhnlein, Sprecherin der Schulbehörde. Informationen zur Schulreform seien von Lehrerseite aus stets willkommen, Werbung jedoch untersagt. Heute will die Schulbehörde alle Schulleiter schriftlich anweisen, diese Regeln künftig zu berücksichtigen.

Unterdessen ärgern sich Reformbefürworter unter den Eltern an der Schule Meiendorf über einen Brief ihres Elternrats. Darin werden sie schriftlich aufgefordert, beim Volksentscheid gegen die Primarschule zu stimmen. "Bislang ist immer darauf geachtet worden, dass kein Infomaterial auf dem Schulhof verteilt wurde", sagen Sabine und Hermann Kaienburg. "Diese einseitige Beeinflussung ist inakzeptabel."

Dem Streit um die Elternbriefe waren Anfeindungen wegen zerstörter Plakate vorausgegangen. Die Initiative "Wir wollen lernen" beklagte, dass etwa 40 ihrer Plakate von ihren Gegnern überklebt oder umgeschmissen wurden. Außerdem zeigte sich die Linksjugend, Mitglied im Aktionsbündnis zur Unterstützung der Schulreform, aggressiv und stilisiert Walter Scheuerl zum Feindbild. "Von den persönlichen Anfeindungen gegen Herrn Scheuerl distanzieren wir uns entschieden, das haben wir der Linksjugend gegenüber auch kommuniziert", sagt Frederic Rupprecht, Vorstand der Schülerkammer Hamburg (SKH), die in dem Bündnis federführend ist. Doch auch er beschwert sich über beschädigte Plakate. Mehr als 100 seien im Laufe der vergangenen Woche von Reformgegnern überklebt worden, sagt Rupprecht. "Wir sind angekratzt und traurig. Um die Plakate herzustellen und anzubringen, haben viele von uns Nachtschichten geschoben und Abi-Reisen abgesagt, wofür wir hohe Stornogebühren zahlen mussten."

Er wolle die Zerstörung niemandem in die Schuhe schieben, doch sei der mögliche Täterkreis nicht sehr groß. "Es muss schon jemand aus Scheuerls Riege sein", sagt Rupprecht. "Die Schriftbilder entsprechen denen, die er in seinen E-Mails verwendet."

Junge Liberale und Schüler-Union attackieren die Schülerkammer und ihr Pro-Schulreform-Engagement. "Wir fordern Vorstand und Geschäftsführung zum Rücktritt auf", sagen JuLi-Chef Finn Ole Ritter und Schüler-Unions-Chef Ramon Weilinger. Die SKH dürfe eine politische Plakatkampagne nicht mit Geld finanzieren, das die Schulbehörde ihr für ihre Arbeit zur Verfügung stellt. Rupprecht bleibt gelassen: "Die Kampagne wird nicht von der Behörde, sondern von Sponsoren, Spendern, den Jugendorganisationen und aus privater Tasche finanziert."