Die Zahl der Schulabgänger ist höher als angenommen, denn bei der Schätzung wurden berufliche Schulen nicht berücksichtigt.

Hamburg. Das sieht nach einer kapitalen Panne aus: Die Zahl der Abiturienten, die im nächsten Sommer die Hamburger Schulen verlassen, liegt um bis zu 2000 höher, als der Senat noch vor Kurzem angenommen hat. Weiß die Schulbehörde nicht, wie viele Schüler es gibt? Der überraschende "Zuwachs" an Abiturienten ist vor allem deswegen problematisch, weil der Ansturm auf Studien- und Ausbildungsplätze wegen des doppelten Abitur-Jahrgangs ohnehin schon immens ist. Herausgekommen ist der Zahlenwirrwarr durch Senatsanfragen des SPD-Bürgerschafts-Abgeordneten Ties Rabe. Erst im Juni hatte sich der Schulpolitiker danach erkundigt, wie viele Schüler "voraussichtlich im Sommer 2010 an einer Hamburger Schule" Abitur machen. "Zu erwarten sind ca. 12 100 Abiturientinnen und Abiturienten", lautete die Antwort des Senats.

Jetzt wollte Rabe wissen, wie viele Schüler im vergangenen Schuljahr das erste Semester der gymnasialen Oberstufe besuchten - gemeint ist also der Doppeljahrgang, der jetzt Abitur machen will. Und hier lautet die Antwort mit einem Mal: 15 125 - rund 3000 Schüler mehr. "Wenn man die zu erwartenden Schulabbrecher und Wiederholer - zwischen 3,5 und vier Prozent pro Jahr - abrechnet, werden mehr als 14 000 Schüler im Sommer 2010 das Abitur ablegen", sagt Rabe.

Brigitte Köhnlein, Sprecherin der Schulbehörde, räumt ein, dass in der Senatsantwort auf die Rabe-Anfrage vom Juni lediglich die allgemeinbildenden Schulen berücksichtigt worden waren. So seien zu den 12 100 prognostizierten Abiturienten noch einmal rund 660 Schüler hinzuzurechnen, die die Reifeprüfung an einem beruflichen Gymnasium ablegen werden. Darüber hinaus würden rund 15 Prozent des Jahrgangs an den allgemeinbildenden Schulen wegen Wiederholung, Auslandsaufenthalts oder Schulabgangs kein Abitur machen.

Zum Vergleich: Im gerade abgelaufenen Schuljahr 2008/09 schlossen 7464 junge Menschen ihre Schulzeit mit dem Abitur ab. Das würde eher für die Annahme sprechen, dass die Abiturientenzahl bei rund 14 000 und nicht bei 12 700 Schülern liegt.

Rabe wirft dem schwarz-grünen Senat vor, die Entwicklung "monatelang verschlafen" zu haben "Der Boom durch den doppelten Abitur-Jahrgang wird viele junge Leute in Warteschleifen zwingen", kritisierte der SPD-Politiker. Der Senat weigere sich, zusätzliche Ausbildungs- und Studienplätze für die künftigen Abiturienten zu schaffen. Eine Folge sei, dass Haupt- und Realschüler weniger Chancen auf einen Ausbildungsplatz hätten.

Köhnlein verweist darauf, dass sich das Aktionsbündnis Bildung und Beschäftigung unter Leitung von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) im Oktober trifft, um Maßnahmen zur Steigerung der Ausbildungs-Kapazitäten zu beraten. Die Handelskammer rechnete im Juli mit einem Mehrbedarf von 1500 Ausbildungsplätzen.

Rabe ging bislang für 2010 von 1950 zusätzlichen Hamburger Studienplatzbewerbern aus, auf die die Hochschulen nicht eingerichtet seien. Nach Einschätzung der Kultusministerkonferenz ist nur mit 1100 zusätzlichen Studienanfängern zu rechnen. Aus Sicht der Senatspartei CDU ist für eine ausreichende Kapazitäts-Aufstockung in Hamburg gesorgt. "Abiturienten des Doppeljahrgangs müssen keine Sorge haben, dass sie anstatt im Hörsaal auf der Straße sitzen", sagte der CDU-Hochschulpolitiker Wolfgang Beuß.